Die Einsamkeit des Barista
zu verunglimpfen, die du in die Höhe getrieben hast, indem du dir im Schweiße deines Angesichts den Hintern platt gesessen hast.
Massimo ging bei solchen Äußerungen sofort an die Decke, ganz besonders, wenn sie von Rimediotti stammten, der auf solche Allgemeinplätze quasi abonniert war. Daher reagierte er mit einem Syllogismus: »Das ist nicht das Drama Italiens. Das echte Drama ist, dass keine Kinder mehr gezeugt werden. Und in der Folge zu viele Alte herumlaufen. Wenn alle, die über siebzig sind, zu Hause bleiben und nicht der arbeitenden Bevölkerung auf die Nerven fallen würden, dann würde es wieder aufwärts gehen mit dem Land.«
»Da habt ihr’s. Savonarola ist wieder auferstanden«, mischte sich Ampelio ein. »Hör mal, verflixt und zugenäht, wenn du heutzutage so frei bist, alles zu sagen, was dir in den Kopf kommt, anstatt nur im Stechschritt umherzumarschieren, dann hast du das mir zu verdanken und denen, die noch älter sind als ich! Wenn die Alten nicht wären, dann wäre dieses Land heute schlimmer dran als Burundi.«
»Reg dich nicht auf, Ampelio«, antwortete Aldo in versöhnlichem Ton, »wenn man solche wie dich machen lassen würde, wären wir jetzt wie Nordkorea. Und überhaupt, wenn du dir Sorgen machst wegen der Kinder, so sind wir wenigstens da auf einem guten Weg.«
»Wie ist das gemeint?«, fragte Massimo.
»Dass eine Heirat der erste Baustein für die Gründung einer Familie ist und dass eine Frau, wenn sie heiratet, weil die Welt ist, wie sie ist, früher oder später daran denkt, ein Kind zu bekommen.«
»Aldo«, fragte Massimo ernst, »hat dich eine Billardkugel am Kopf getroffen?«
»Oh, Tiziana, hast du etwa deinem Brötchengeber noch nichts gesagt?«
Massimo blickte Tiziana an, die errötete.
Es gibt Tage, die fangen schlecht an. Dieser hier ging noch schlechter weiter.
Es waren etwa zwei Stunden vergangen. Im Hinterzimmer hatten die Alten erneut den Billardtisch erobert und verbrachten einen ruhigen Nachmittag zwischen Triplierungen, perfekt gelungenen Zufallstreffern und wundersamerweise vermiedenen Hexenschüssen. Hinter dem Tresen räumte Massimo mit geradezu zwanghafter Präzision kleine Tassen ein, kompromisslos und untadelig in seiner besten Pose als perfekter Barista.
Auf der anderen Seite war Tiziana gerade dabei, ein kompliziertes Annäherungsmanöver an Massimo abzuschließen, das sie mit dem Polieren der Tische draußen begonnen und mit dem Staubwischen in allen Ecken der Bar fortgesetzt hatte. Vor Massimo angekommen, lächelte sie ihn an und fragte: »Chef immer noch sauer sein?«
»Ja.«
»Massimo, hör zu. Ich wollte es dir doch sagen. Ich wusste nur, dass du wütend werden würdest.«
Ach, woher denn! Schließlich darf doch jeder heiraten, wann er will, so viele Kinder machen, wie er will, und was nicht noch alles. Wir leben in einem freien Land. Aber, verflucht noch mal, die Bar gehört mir, nicht den Alten. Zumindest glaube ich das. Allmählich kommen mir da auch schon erste Zweifel. Auf jeden Fall hätte ich ja wohl der Erste sein müssen, der bestimmte Sachen erfährt.
Da Massimo schwieg, versuchte Tiziana es noch einmal: »Ich hatte dir aber gesagt, dass ich im September gern zwei Wochen Urlaub haben würde.«
»Stimmt. Bleibt immer noch die Tatsache, dass es keine eindeutige Beziehung zwischen der Tatsache gibt, dass jemand zwei Wochen freihaben will, und der Tatsache, dass dieselbe Person heiraten will. Könnte ja auch sein, sie möchte einfach nur in die Ferien fahren.«
»Ach komm, Massimo. Du hättest es verstehen müssen. Man bittet nicht um zwei Wochen Urlaub, um in Ferien zu fahren. Zwei Wochen beantragt man für eine Hochzeit.«
Ich hätte es verstehen müssen. Wie kannst du dich nur so irren? So ist es mit den Frauen doch immer. Sie geben dir einen Minihinweis, und dann bist du derjenige, der sich alles dazu denken muss.
»Erstens, lass uns mal nicht das, was üblich ist, mit dem verwechseln, was Gesetz ist. Jeder Mensch hat die Freiheit, zwei Wochen Urlaub zu nehmen und sich dann vierzehn Stunden in seinem Haus einzuschließen, um das höchste Kartenhaus der Welt zu bauen. Zweitens weißt du ganz genau, warum ich sauer bin, aber da du dich nicht daran zu erinnern scheinst, gehen wir das doch noch einmal kurz durch.«
»Massimo, komm …«
»Du hast mir immer gesagt, dass du aufhören würdest, hier zu arbeiten, wenn du mal verheiratet bist, weil du dann regelmäßigere Arbeitszeiten möchtest und so wie alle anderen normalen
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