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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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Menschen leben willst, die um eins zu Mittag und um acht zu Abend essen und vor halb drei ins Bett gehen. Richtig?«
    »Ja. Aber das ist doch nicht …«
    »Hast du deine Meinung zu diesem Thema geändert?«
    »Nein. Aber …«
    »Also scheint es mir klar, dass der Umstand, dass du heiratest, der für alle deine Freundinnen bedeutet: ›Marchino und Tiziana heiraten, wie schön, wie schön, wie schön‹, und für deine Eltern: ›Tiziana geht aus dem Haus, mir ist, als wär’s erst gestern gewesen, dass ich sie zum Kindergarten gebracht habe, und jetzt heiratet sie, meine Güte, wie die Zeit vergeht‹, für Massimo bedeutet: ›Die einzige anständige Tresenkraft, die ich in zehn Jahren finden konnte, geht in drei Monaten, und ich muss sie durch einen bradycephalen Jüngling ersetzen, dem ich erst einmal drei Wochen lang beibringen muss, sich bei der Arbeit nicht den Rotz am Ärmel abzuwischen.‹ Sag du mir, ob ich da nicht sauer sein soll. Auch nicht ganz unwichtig: Wann hast du das überhaupt beschlossen?«
    »Vor einem Monat.«
    »Und die lieben Großväterchen, seit wann wissen die es?«
    »Seit drei Wochen.«
    »Also, ist jetzt klar, warum ich sauer bin?«
    »Ja, Chef. Weil Chef viel zu empfindlich sein. Tiziana jetzt gehen nach Hause und kommen um sieben wieder. Falls jemand da drüben das Billard dreckig macht, Chef schaffen seinen Arsch da rüber und machen selber sauber.«

Drei
    Nehmen wir mal an, ein Mensch gibt eine Nachricht an sechs verschiedene Personen weiter. Wenn jeder der Empfänger sie seinerseits an sechs andere weitergibt und dieses simple Weiterreichen fünfmal wiederholt wird, dann sind es exakt sechs hoch fünf Personen geworden, die diese Nachricht kennen. Oder ausgeschrieben: Siebentausendsiebenhundertsechsundsiebzig.
    Wenn die zugrunde liegende Weitergabe (einer ruft sechs andere Leute an) eine Stunde braucht, dann wird die oben genannte Anzahl von Personen, die die Nachricht kennen, maximal in fünf Stunden erreicht sein. Also mehr oder weniger in einem Nachmittag.
    Dieser kurze, auf den ersten Blick nutzlose Exkurs dient dazu, zu erklären, warum am folgenden Morgen ganz Pineta wusste, dass der Carpanesi versucht hatte, Marina Corucci zu ermorden.
    Über die Weitergabe der Nachricht an alle sechs-, siebentausend Ohrenpaare des Dorfes hinaus hatte die Übermittlung von Mund zu Mund den Inhalt stufenweise deformiert, genau wie bei der Stillen Post. Doch in diesem Fall war der Sinn der Nachricht nicht durch fehlerhaftes Verstehen der Originalnachricht (»Der Carpanesi hat gesagt, er habe die Corucci ’96 kennengelernt, aber in Wirklichkeit kannte er sie schon ’94. Da stimmt doch was nicht.«) verdreht worden, sondern durch das Hinzufügen einer eigenen logischen Schlussfolgerung eines Hörers in der Nachrichtenkette (»Hör mal, wenn der Carpanesi wirklich gestern, wo doch der Unfall war, so was gesagt hat, dann muss es zwischen ihm und der anderen was zu verbergen geben.«).
    Eine solche Schlussfolgerung, als Postskriptum unter die Nachricht gesetzt, wird normalerweise vom nachfolgenden Hörer als Vox populi verstanden (»Hast du schon gehört? Man erzählt sich, der Carpanesi und die Corucci hätten ein Verhältnis miteinander gehabt!«) und somit zur Wahrheit gemacht, abgesichert durch das erste Axiom des Klatsches, welches besagt: »Alle, die ich kenne, wissen es, also ist es wahr.«
    Massimo empfing daher an jenem Morgen erleichtert den Notar Aloisi, der pünktlich um halb zwölf die Bar betrat, wie es seine Gewohnheit war. Wie immer trat er an die Theke und bestellte einen Espresso, während er einen Blick in den »Corriere« warf. (In zehn Jahren hatte Massimo den Notar Aloisi noch nie auch nur in der Nähe der »Gazzetta« gesehen.) Kein Wort mehr als nötig.
    Zuvor hatte Massimo den ganzen Morgen über einen nach dem anderen hereinkommen sehen, und alle hatten sich sofort, nachdem oder sogar noch bevor sie bestellt hatten, mit wissender Miene umgesehen und mit einer Anspielung angefangen, sich an das ganze Lokal zu wenden: »Also, jetzt hat sich der Carpanesi aber wirklich was geleistet …«
    Und sofort ging ein Konzert der Alten mit Zufallsgästen los, in dessen Verlauf der arme Carpanesi angeklagt, der Lüge überführt und verurteilt wurde, mit (manchmal) vorsichtigen Versuchen der Verteidigung des armen C. durch einen einzelnen Gast. Welcher jedoch sofort von der mächtigen Polyphonie des Orchesters der Alten übertönt wurde.
    Der Notar hingegen hatte den drei

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