Die Einsamkeit des Chamäleons
durchatmete.
Assmann ahnte, warum sie hier waren. Er hatte Milchmeyer nicht mehr erreichen können. Also hatte Rebekka überlebt, und Milchmeyer hatten sie erwischt.
Er gönnte der Rothaarigen ihre Gnadenfrist, denn er und sie waren vom gleichen Kaliber. Dass sie allerdings sofort ihren Geliebten mit seiner Behörde auf ihn hetzte, stufte sie in seiner Achtung herab. Sie hätte die Angelegenheit gut allein zu Ende bringen können. Er hatte ihr die Fäden in die Hand gegeben, mit denen sich sogar eine gemeinsame Sache hätte stricken lassen. Vielleicht hatte er ja Glück und in Rebekka ein so brutal passendes Pendant gefunden, dass ein Verkehrsdelikt als Grund für diese Vernehmung tatsächlich näherlag als sein Angriff auf sie.
»Natürlich, kommen Sie nur«, sagte Erik Assmann und lieà die beiden Herren an sich vorbei ins Wohnzimmer. Ingrid Assmann nahm dort soeben ihre kleine Tochter auf den Arm, um sie nach oben zu bringen.
»Du sollst nicht so schwer tragen!«, wandte sich Erik Assmann beinah vorwurfsvoll seiner Frau zu. Mit einem Blinzeln sagte er leise zu Mark: »Sie bekommt ein Baby, daran muss ich sie ständig erinnern!«
Man sah Ingrid Assmann die Schwangerschaft noch nicht an, und mit einem beherzten Schwung hatte sie ihre Tochter auf den Arm gehievt und trug sie aus dem Zimmer.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte Erik Assmann, nachdem Mark und Strobel Platz genommen hatten.
»Nein, danke«, sagte Strobel.
»Wie kann ich Ihnen weiterhelfen in Ihrem Sachverhalt ?«
Mark hätte ihn am liebsten sofort gefragt, was er als Kunsthändler auf dem Gelände einer Recyclingfirma zu suchen hatte, und das vorzugsweise nachts, speziell vorletzte Nacht. Es drängte ihn, zu fragen, was er Rebekka angetan hatte in jener Nacht. Aber noch war ihm nichts nachzuweisen, und die zwölf toten Metallarbeiter waren der eigentliche Grund dieser Vernehmung. Die Zwiebel gehörte von auÃen nach innen geschält, und Mark würde schon sehen, ab wann die Tränen liefen. Also fing er ganz auÃen an.
»Wir haben Thorsten Milchmeyer festgenommen.«
Wenn diese Information etwas in Erik Assmann auslöste, dann wusste er das geschickt zu verbergen, stellte Mark enttäuscht fest. Assmann schaute die beiden abwechselnd an.
»Er ist ein Bekannter von mir. Leitet eine Firma, in der wiederum einige gemeinsame Freunde arbeiten oder«, Erik Assmann mimte kurz Trauer, und Mark musste sich abwenden, so gereizt war er, »arbeiteten.«
»Haben Sie Einblick in die Firma? Ist Ihnen an Thorsten Milchmeyer in den letzten Wochen etwas aufgefallen? Hat er sich verändert? Hat er Ihnen jemals von beruflichen Problemen erzählt?«
Jede Einzelne von Strobels Fragen verneinte Erik Assmann mit einem Kopfschütteln.
»Ist Ihnen aufgefallen, dass es in seiner Firma in den letzten zwei Jahren verstärkt zu Arbeitsunfällen gekommen ist?«
»Ein paar von Milchmeyers Mitarbeitern starben jung. Das bekam ich mit. Milchmeyer war betroffen und erwähnte vor Kurzem, wie seltsam er das fände, denn die Arbeitsschutzbedingungen dort seien vorbildlich. Aber dass er selbst â¦Â« Erik Assmann schüttelte ungläubig den Kopf. Dann schaute er auf, immer noch mit einem gelassenen Gesichtsausdruck. Er war die Ruhe selbst.
»Darf ich eine Zwischenfrage stellen?«
Strobel schaute zu Mark und sah dabei aus, als käme ihm der Kaffee aus der Dienststelle hoch.
»Gerne«, sagte Mark.
»Was habe ich damit zu tun?«
»Wahrscheinlich nichts. Doch wir ermitteln hinsichtlich dieser Todesfälle und sind dabei auf Thorsten MilchÂmeyer gestoÃen, dessen Umfeld wir natürlich etwas näher durchleuchten müssen. Nicht zuletzt, um ihn zu entlasten, so es überhaupt Belastendes gibt.«
»Hören Sie, er übernahm die Firma von seinem Vater. Die Milchmeyers sind Familienmenschen. Die lassen alles zu, aber ganz bestimmt nicht, dass ihr Lebenswerk beschmutzt wird.«
Müll, alles Müll , dachte Mark und lächelte süffisant.
»Denn ihr Lebenswerk ist nicht etwa dreckiger Müll, sondern sauberes Recycling.«
Mark gefror die Ãberlegenheit im Gesicht. Erik Assmann schien sich daraufhin zwei Pluspunkte einzutragen.
Mark konnte nicht mehr an sich halten und hoffte, Strobel würde ihn nicht stoppen.
»Kennen Sie in diesem Zusammenhang eine Frau namens Rebekka Schomberg?«
Mark hätte
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