Die Einsamkeit des Chamäleons
110 gehörte. Also versuchte er, beruhigend auf den Anrufer einzuwirken.
Er saà in seinem Wagen und wollte sich gerade auf den Heimweg machen. Dienstschluss, Julia und die Kinder warteten auf ihn. Zwei freie Tage an der Havel standen an, auf dem Grundstück, das vom Schilf verdeckt von auÃen nicht zu sehen war, Zeit zum Angeln, Lesen, Schlafen.
»Ganz langsam ⦠Mit wem spreche ich? Wo sind Sie? Was ist passiert?«
»Mark! Freddy hier. Vico House . Rebekka. Ich habe eine Riesendummheit gemacht.«
Mark war schlagartig alarmiert.
»Was ist mit Rebekka?«, fragte er strenger, als er es dem völlig konfusen Typ am anderen Ende antun wollte.
»Der kam hier an ⦠ein gemeinsamer Freund, wie ich jetzt weiÃ, zumindest redete er von dieser Auktion, die sie für ihn wahrgenommen hat â¦Â«
Mark verstand nicht, was Freddy meinte, wollte aber keine Zeit mit Fragen vertun.
»Weiter!«
»⦠und er meinte, er käme vorbei, um auf ihren Wunsch hin Rebekkas Sachen zu holen. Sie gehe nach Chicago für eine Weile, mit einem gewissen ⦠Mist! Den Namen hab ich jetzt nicht parat.«
»Freddy! Wer kam an und machte was?«
»Der kam hier rein, checkte für Rebekka aus und nahm ihre Tasche mit, die immer gepackt da steht. Das ist so ein Deal zwischen uns, wenn sie schnell weg muss, übernehme ich das Auschecken, und sie holt ihre Tasche mit dem Nötigsten drin hier ab.«
»Aber sie hat sie nicht abgeholt«, Mark versuchte vergebens, ruhig zu bleiben, »also?«
»Nein, ich hatte sie aber grad am Telefon. Alles sei okay, sie habe ihre Sachen und â¦Â«
»UND?«
Mark lieà den Motor an.
»Das Gespräch war trotzdem komisch. Zum Schluss sagte sie, was sie sonst nie sagt: Denk an mich! Und dann war aufgelegt.«
Mark gab Gas.
»Wie heiÃt dieser GEMEINSAME FREUND?«, brüllte Mark in Richtung seiner Freisprechanlage. »An seinen Namen wirst du dich sicher noch erinnern?«
»J⦠ja ⦠Thorsten ⦠Thorsten Milchmeyer. Der ist Chef von â¦Â«
Doch Mark hatte bereits aufgelegt und forderte Verstärkung an zur Adresse von Recycling, Verschrottung & Co.
Er raste in die Recyclingfirma. Im Alleingang. Strobel zu rufen, hätte wertvolle Zeit gekostet.
In Milchmeyers Büro war trotz der Helligkeit Licht zu erkennen. Er war also dort, während alle anderen Feierabend hatten.
Mark stürmte die Treppe hinauf. Milchmeyer stand ruckartig von seinem Stuhl auf. Mark scannte den Raum mit einem Blick. Der Computer war heruntergefahren. Milchmeyer schien auf jemanden gewartet zu haben, nur eben nicht auf Mark Tschirner. Unten auf dem Hof fuhr Verstärkung vor, drei Polizeiwagen mit Blaulicht.
Mark schob Milchmeyer im Polizeigriff die Treppe hinunter und über den Hof.
»Wo ist Rebekka Schomberg?«
Doch Milchmeyer, diesmal im beigen Leinenanzug und blütenweiÃen Hemd, stöhnte nur auf vor Schmerz. Mark drehte die Schraube noch etwas fester.
»Ich weià es nicht!«, wimmerte Milchmeyer nun.
Mark war erleichtert, als er Strobel auf sich zukommen sah. Er gab ihm ein Zeichen, er und die Kollegen sollten das Haupttor und die hintere Ausfahrt blockieren. Strobel verteilte sie auf ihre Plätze und kam auf Mark und Milchmeyer zugerannt.
Mark hatte Milchmeyer mittlerweile im Schwitzkasten und war ganz nah an seinem Ohr.
»Wo hast du sie versteckt? Und warum?«
»Vielleicht ist sie ⦠in der Werkstatt ⦠da geht sie manchmal hin ⦠sie hat einen Schlüssel ⦠schreibt irgendwas über Kunst und experimentiert ⦠ich lasse sie machen â¦Â«, presste Milchmeyer hervor.
Mark lieà locker, und Strobel legte Milchmeyer Handschellen an.
Zu dritt betraten sie die Werkhalle und gingen auf eine alte, verbeulte Metalltür an ihrem Ende zu. Sie war verschlossen. Mark schlug fest mit der Faust dagegen und horchte dann an der Tür. Nichts.
»Ich muss den Schlüssel holen«, stöhnte Milchmeyer.
»Kein Bedarf. Hier riechtâs doch verbrannt, nicht wahr, Strobel?«
»Und wie!«, pflichtete Strobel bei, während Mark MilchÂmeyer an ihn weiterreichte und mit einem kraftvollen Tritt die Tür aus ihren Angeln brach.
Kapitel 50
Vorsichtig beugte sich Mark über Rebekka. Freddy stand nagelkauend in der Ecke des Krankenzimmers und wusste vor Wut und Trauer nicht, wohin er schauen
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