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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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nicht.)
    Durchwachsen. Ich habe viel zu tun und bin nicht immer zufrieden mit dem Ergebnis.
    Das liegt bei dir wohl in der Natur der Sache.
    Soll heißen?
    Ich verstehe noch nicht ganz, was du eigentlich tust, nur, dass es keine Häkelarbeiten sind.
    Lass mir mein kleines Geheimnis. Sonst schreibst du mir vielleicht eines Tages nicht mehr.
    Dann wäre ich verrückt.
    Mir bedeutet unser Chat sehr viel, und mein Englisch …
    Rebekka?
    Ja?
    Mir auch!
    Oh! Danke.
    Und dein Englisch ist sehr gut. Nun ja … ausreichend für uns.
    Du kriegst gleich eine …
    Haha. Lass dich nicht ärgern. Ich tagträume manchmal, dass …
    Wir uns im wahren Leben treffen?
    Ja.
    Du weißt, dass du hier mittlerweile eine Berühmtheit bist?
    Dennoch frei genug, dich zu treffen. Und zwar frei – in jeder Beziehung. (Was ja in sich schon ein Widerspruch ist, haha!)
    Ich meine das ernst. Seit Lutter dich gekauft hat und ausstellt …
    Moment! Rebekka?
    Ja?
    Er hat nicht mich gekauft. Er hat einen Teil meiner Moon-series und die Involvement -Installation gekauft.
    Wie auch immer, seit dein Name in seiner Kunstsammlung erscheint, wirst du unter Dauerbeschuss stehen, sobald du in Tegel den Fuß auf den Boden setzt.
    Du wirst mich abschirmen.
    Natürlich.
    Okay, du, ich muss jetzt …
    Ich weiß. Gehen.
    Es ist Mitternacht hier, und ich frage mich sowieso, was du schon um sieben Uhr morgens am Computer treibst.
    Auf dich warten.
    Ich bin gerührt … Sehen wir uns später?
    Ja. Gern. Klopf an.
    Mach ich. Ciao.
    Ciao.

    Entspannt lehnte Rebekka sich zurück und kicherte wie ein frisch verliebter Teenager vor sich hin. Wie konnte das sein, sich auf das Wiedersehen mit einem Mann zu freuen, von dem sie ein winziges Foto und ansonsten nur Bilder von patiniertem Metall und einer Gestalt in Schweißerkluft kannte? Und der jenseits des großen Ozeans lebte, was seit gefühlten 100 Jahren keine Distanz mehr zu sein schien, aber im täglichen Leben dann doch trennte? Den sie lediglich in Gestalt eines grün leuchtenden Punktes treffen konnte? Sie wusste, was es war. Selbst ein 100 Jahre dauerndes Leben wäre zu kurz, um sich diese Art von Freude nehmen zu lassen. In dieser ergebnisorientierten Welt, in der jeder Impuls zu einem Resultat führen musste, machte es Rebekka ganz einfach Spaß, den ihren ins Leere pulsieren zu lassen. Und es ging ihr verdammt gut dabei.
    Den Laptop neben sich dämmerte Rebekka vor sich hin, schlief schließlich ein und träumte einen furchtbaren Traum von einem Haus, in dem sie mit ihrer Mutter lebte und einer Treppe, die zu ihnen hinauf führte in den letzten Stock unter dem Dach. Von hier gab es kein Entrinnen, nur die Fenster, die auf die Dachschräge führten, von da das Dach hinunter, das von einem lächerlich kleinen Aluminiumzaun begrenzt war, der vielleicht etwas Schnee abhielt, aber keinen fallenden Körper. Die Tür in das Treppenhaus war versperrt, denn von dort kamen sie wieder, die Geräusche, die sie machten, während sie die Stufen langsam hinaufstiegen, mit ihren Baseballschlägern in den Händen, die sie im Takt an die Geländersprossen schlugen. Das Geräusch wurde lauter, wurde zu einem Marsch von fünf oder neun oder gar einem Dutzend Leuten, Männern, wie Rebekka wusste, Glatzen, die hierher kamen, um ihnen erst die Tür und dann die Schädel einzuschlagen. Das Geräusch, nun zu einem einzigen Takt geballt, hallte in ihrem Kopf wider, als landete der Schläger bereits auf der Schädeldecke. Rebekka musste endlich aufstehen, ihre Mutter wecken, mit ihr auf beängstigender Höhe aus dem Fenster fliehen, all das war besser, als in dieser Wohnung gefangen zu sein, deren Wände mit jedem Schlag weiter aneinander rückten, aufeinander zu, als suchte eine Wand die Nähe der anderen, völlig ignorierend, dass Menschen und Möbel da waren. Doch das Bett schien sie nicht freigeben zu wollen, jede Bewegung fand nur in ihren Gedanken statt, als wäre die Verbindung zwischen Hirn und Gliedmaßen gekappt. Panisch begann Rebekka, um Hilfe zu schreien, damit wenigstens ihre Mutter endlich handelte, doch auch die Schreie waren bloße Gedanken einer spottenden Fantasie, und so musste sie liegen bleiben und zuschauen, wie sie lebendig starb. Sie gab ihrem Körper einen letzten verzweifelten Ruck … und war plötzlich wach, spürte kalten Schweiß auf

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