Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
Vom Netzwerk:
über allem Unrecht der Welt, oder zumindest dem in Berlin, schwebte. Doch in diesem einen, gedankenlosen Moment hatte der Geist seine Zauberkraft verloren und war zu den Gewöhnlichen herabgestiegen. Das war der Moment, als sie für ein Stück der Functional Art von Andrew Cascone ihre Adresse auf dem Land bei Berlin für die Lieferung angegeben hatte. Seitdem konnte er ihr gezielte Zeichen geben, die sie nicht wieder in ihre gewohnten, vermeintlich geschützten Gefilde aufsteigen ließen. Mit jedem Geräusch, jeder kleinen, harmlosen Verfolgungsfahrt, wenn sie sich einsam auf ihrem Acker wähnte, ließ er diese Frau am Boden kleben, die so gerne als Engel schwebte.

Kapitel 28
    Sie betrat die werkhallenartige Lobby des Vico House , wo ihr Blick auf ein Hai-Motiv fiel, das Damien Hirst dort auf dem rauen Putz hinterlassen hatte. Die drei Tischtennisplatten gegenüber vom Empfangstresen waren belegt von jungen Männern, die für eine Klassenfahrt zu alt waren und trotzdem grölten, als wären sie auf einer. In einer Art Sitzecke standen Hocker und Tische aus Metall, deren Muster Rebekka vertraut war. Andrew Cascones Functional Art hatte es nicht nur in ihre Gartenlaube, sondern mittlerweile auch ins Vico House geschafft.
    Am Fahrstuhl wurde Rebekka von Freddy in Empfang genommen. Er war ein etwas zu groß geratener Mann, dessen Hände, Füße und Kopf mit dem Tempo, das der restliche Körper beim Wachsen vorgelegt hatte, nicht mitgekommen waren. Auch seine Stimme war irgendwo zwischen Stimmbruch und Bariton hängen geblieben und changierte je nach Aufregungsgrad ihres Besitzers. Doch jedes Detail für sich genommen, war er ein Bild von einem Mann oder, wie Rebekka ihm scherzhaft zu sagen pflegte, eine ganze Galerie. Und eine ganze Galerie Männer stand auf Freddy.
    Â»Ich hab mir den Arsch aufgerissen«, Freddy musste unwillkürlich lachen und fügte ein tuntiges »Uuuuuuuuhhhhhhh!« hinzu, als ihm die Dimension seiner Worte bewusst wurde. »Will sagen: Hab alles getan, damit du dein gewohntes Zimmer bekommst.«
    Er drückte auf die 3 im Fahrstuhl, und die Tür schloss sich vor ihnen.
    Â»Ich weiß gar nicht, wie ich dir das heimzahlen soll. Deshalb gebe ich dir auch nichts«, flüsterte Rebekka und kniff ihn in die Seite, um von ihrer Platzangst abzulenken.
    Â»Schon mal überlegt, dir hier ein Appartement zu nehmen?«, fragte Freddy ernsthaft interessiert.
    Â»Nein.«
    Rebekkas Entscheidung stand fest. Natürlich hatte sie darüber nachgedacht, spätestens seit die Bauarbeiten im Seitenflügel abgeschlossen waren und der Blick in die großen Fenster der einzelnen Hotelwohnungen verlockend war.
    Â»Zu viel Bindung. Dann richte ich mich hier vielleicht noch wohnlich ein mit all dem scheußlichen Ballast. Mein Appartement hab ich draußen in …«, sie hob die Augenbrauen und schaute Freddy fragend an.
    Â» In Brandenburg  …«, parierte der, und Rebekka stimmte ein, während sie der Fahrstuhl in die dritte Etage brachte, »… in Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt.Was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg? Es ist nicht alles Chanel, es ist meistens Schlecker, kein Wunder, dass so viele von hier weggeh’n aus Brandenburg  …«
    Â»Ist Post für mich da?«
    Der dicke Teppich auf dem Flur verschlang das Geräusch ihrer Schritte.
    Â»Liegt schon im Zimmer.«
    Â»Hältst du ein bisschen die Augen für mich auf?«
    Â»Logisch.«
    Â»Danke, Freddy.«
    Er schloss die Tür auf und reichte Rebekka den Schlüssel. Er drückte sie kurz und fest und ging zurück zum Fahrstuhl. Rebekka schloss die Tür hinter sich.
    Sie war wieder zu Hause.

    Hey Du!
    Hey! Wieder am Kunstschaffen?
    Ja, die Chicago Kunstwochen sind vorüber. Alles an Ausstellungen mitgenommen, was nur ging. Weißt du was?
    Was?
    Was der neue Trend ist?
    In deiner komischen Metallkunst, die jetzt angeblich jeder will?
    In der Galeristenszene, die bald keiner mehr braucht.
    Sag’s mir.
    Temporäre Galerien. Eine Woche eingemietet in einer Wohnung, einem leer gelassenen Schwimmbecken, einem Milchladen oder Beerdigungsinstitut.
    Okay. Wie geht es dir?
    Jetzt wieder gut. Wo bist du grad?
    Zu Hause.
    Wo immer das ist. Pyjama?
    Yep.
    Socken?
    Yep.
    Hab süße Träume. Ich geh Mittag essen.
    Schaff den Zeitunterschied ab, und wir können länger reden.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher