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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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Das Haus war das Machtzentrum der DDR gewesen. Hier hatte das so genannte Politbüro unter Walter Ulbricht gesessen, den Rebekka immer für einen speziellen Freund ihres Großvaters Erich Schomberg hielt, weil der angeblich ein Bild dieser spitzbärtigen Eminenz an der Wand gehabt hatte.
    Das Politbüro war noch immer ein gern gebuchter Tagungsraum im Vico House , was für Rebekka eine amüsante Verbindung zu ihrer eigenen Vergangenheit war, die 20 Jahre nach dem Mauerfall nichts an Zynismus zu wünschen übrig ließ.
    Aus der Parteizentrale, zu der schon damals nicht jeder aus der Partei Zugang erhielt, war nun ein Privatklub geworden, zu dem auch heute nicht jeder Gast Zugang erhielt. Die Aufnahme war keine Frage von Macht oder Karriere und schon gar nicht von Geld. Das Haus war einer der wenigen Orte, in denen Geld tatsächlich keine Rolle spielte, man nur genauso alt wie anderswo aussah, wenn man keins hatte. Menschen, in deren Händen Geld zu Vermögen wurde, waren nicht die Kunden des Vico House . Oligarch und Retortenstar waren Ausschlusskriterien. In den Vico-House -Klub wurden Leute aufgenommen, die dem Haus etwas brachten. Sie brachten etwas mit aus dem riesigen Pool von Ideen, die sich über die ganze Welt verteilten. Sie lebten diesen pulsierenden Traum, der immer gerade kurz vor der Realisierung stand. Hier traf man sich. Man lebte hier für kurze Zeit und reiste dann weiter. Man hinterließ seine ganz persönliche Note in der Stadt wie der Kater seine Marke. Dafür nahm man auch ein Stück mit an ein anderes Ende der Welt, in ein anderes Vico House. Um hier einzuchecken, brauchte es eine Empfehlung von mindestens zwei Leuten, die bereits Mitglieder waren. Rebekkas Zugangscode hieß Andrew Cascone.

Kapitel 27
    Morgens war sie mit einem Blumenstrauß auf dem Gepäckträger weggeradelt, wahrscheinlich zum Friedhof. Nach ihrer Rückkehr von dort hatte sie Säcke voller Kleidung vor ihr Gartentor gestellt. Alle Zeichen standen darauf, dass Rebekka Schomberg sich wieder auf unbestimmte Zeit von hier ins Vico House zurückzog.
    Ihr Haus wirkte auf ihn von außen wie ein ganz gewöhnlicher Rückzugsort stadtmüder Leute oder solcher, denen es eigentlich völlig egal war, wo sie ihre Wochenenden verbrachten, Hauptsache im Grünen und einigermaßen ruhig. Von innen hatte er es noch nicht gesehen, aber das war auch nicht wichtig. Es interessierte ihn nicht, wie sie sich einrichtete, er sah sie oft genug, um sich ein Bild von dieser Frau zu machen. Rebekka wiederum machte sich auf recht clevere Art ein Bild von ihren Nachbarn: Die kleine Kamera unter der Regenrinne hatte das Badezimmerfenster und einen Teil des Eingangsbereichs im Visier.
    Es amüsierte ihn zu sehen, wie sich die Nachbarn hier um die rätselhafte Dame scharten, ohne je die Chance zu ergreifen, ihr wirklich nah zu sein. Es würde doch genügen, sich am Kaffeetisch plaudernd auszutauschen, statt immer nur zu warten, bis sie zu einem ihrer wichtigen Treffen gefahren oder wieder ins Vico House gezogen war. Die Menschen schafften es einfach nicht, sich das Leben leicht zu machen. Immer musste eine Kurve eingebaut werden in die gerade Straße, aus lauter Angst, man könne, wenn es zu gut läuft, die Kontrolle verlieren. Er machte es sich da viel einfacher.
    Auf halber Höhe der Straße stand ein unbewohntes Haus, so weit von Gestrüpp überwuchert, dass noch nicht mal mehr Werbung in dem verrosteten Briefkasten landete.
    Das Vorhängeschloss hatte sich so leicht wie eine Haselnuss knacken lassen. Sein Auto parkte er am Ende der Straße vor dem ehemaligen Gestüt. Er war der unauffällige Spaziergänger, den man entweder nicht bemerkte oder für einen interessierten Käufer hielt. Er würde Rebekka Schomberg mit ihren eigenen Waffen schlagen. Wann immer sich jemand näherte, der ihn unschwer als Fremden in dieser Gegend ausmachen könnte, lief er über das verlassene Grundstück. Auf die vier, fünf Leute, denen er hier täglich aus dem Weg ging und die doch den Kopf nach ihm umdrehten, musste er wie ein neuer oder der alte Besitzer wirken, das tat hier eh nichts zur Sache, der versuchte, sich auf seinem Grund und Boden einen Überblick zu verschaffen. Irgendwie, und das war keine Floskel, denn er wusste wirklich nicht wie, hatte Rebekka Schomberg den Braten gerochen. Sie wirkte verunsichert, manchmal zumindest, wenn sie auf ihrem

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