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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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ist. Ist in den Urlaub geflogen und nicht wiedergekommen. Fand ich schon immer seltsam.« Seine Stimme klang so gleichgültig, dass es schon fast eine Frechheit war. Doch Erika Fauls schlichtes Gemüt brachte sie gar nicht auf die Idee, sich mit einem letzten bisschen Stolz zurückzuziehen. Im Gegenteil. Sie baute sich in ihrer ganzen Breite neben ihm am Fenster auf und schaute nun auch hinüber.
    Â»Ja, nicht wahr?« Vielleicht half ein leichtes Sticheln. »Da bin ich nun fast jeden Tag bei den Gräbern …«, von ihren geheimnisvollen Wegen wusste ihr Mann nichts, weil ihn einen feuchten Dreck interessierte, was sie den ganzen Tag trieb, »… und hab die Beerdigung von der Mutter nicht mal mitbekommen.«
    Â»Wo die sich immer rumtreibt, wenn die nicht hier ist, will ich mal wissen.« Helmut Faul redete eigentlich mit sich selbst, als er das sagte. Die Frau, die sich neben ihm die Stirn an der Fensterscheibe platt drückte, nahm er kaum wahr. »Wo die da hingeht.«
    Â»Ja, wohin die da geht, wenn die alles hier rausstellt, zuschließt und verschwindet.«
    Erika Faul schöpfte wieder Hoffnung. So etwas wie ein Gespräch mit ihrem Mann hatte sie schon lange nicht mehr gehabt. Und das hier hörte sich verdammt danach an.
    Helmut Faul stierte weiter. »Die verschwindet ja richtig von der Bildfläche. Vielleicht haut die ja immer ab vor irgendwas oder irgendwem.«
    Zwar galt sein Interesse noch immer dem Haus schräg gegenüber, inzwischen aber auch ein bisschen ihr, stellte Erika Faul mit Befriedigung fest. Bestimmt würde ihm der grüne Samtrock zur blutroten Bluse bald auffallen. Die Perlenkette war vielleicht etwas zu festlich für den grauen Morgen, den sie sowieso nur zu Hause verbringen würden. Ihr Parfüm hatte sie vielleicht etwas zu dick aufgetragen. Aber genau diese kleinen Übertreibungen wie auch der Braten, den sie mittags servieren würde, wären es, die ihren Mann zu ihr zurück brächten. Denn für die kommenden Wochen, vielleicht sogar Monate, dessen war Erika Faul sich sicher, hatte sie ihn wieder ganz für sich. Und mit der Überraschung in ihrer Hand allemal. »Schau mal«, jetzt war der richtige Moment, beschloss Erika Faul feierlich, »was ich gefunden habe.«

Kapitel 30
    Â»Die beiden haben ein Verhältnis.«
    Â»Miteinander?«
    Â»Witzig!«
    Â»Von wem redest du überhaupt?«
    Â»Der Rothaarigen und dem jungen Schnüffler.«
    Â»Ist nicht wahr!«
    Â»Geschmack haben beide.«
    Â»Offensichtlich auch aneinander. Was bedeutet das für uns?«
    Er malte eine ganze Pferdehorde diesmal, zog die Linien des Rückens, der Schenkel, der wilden Mähnen immer wieder nach, bis Risse im Papier entstanden.
    Â»Dass wir von zwei Leuten umzingelt sind, so das geometrisch überhaupt möglich ist.«
    Â»Ob es möglich ist, sollte uns am wenigsten interessieren, denn die Möglichkeit ist ja ganz offensichtlich schon von der Tatsache ersetzt worden.«
    Â»Sie kommen uns sehr schnell sehr nahe. Wir haben uns zu sicher gefühlt. Die Frau ist wie ein U-Boot im Krieg, der Feind, der spurlos verschwindet und plötzlich an unvermuteter Stelle wieder auftaucht.«
    Â»Wir wissen beide, dass ihre Verbindung zum alten Otto ziemlich fadenscheinig ist.«
    Â»Aber wenn sie sich das alles nur ausdachte, dann Hut ab. Dann ist sie mindestens so stark wie wir, um genau zu sein: wie ich.«
    Â»Das Kompliment schenke ich dir. Behalte sie weiter im Auge.«
    Â»Und du? Was trägst du zur Deeskalation bei?«
    Â»Mehr, als du dir vorstellen kannst.«
    Â»Will heißen?«
    Â»Sie hat um einen Termin gebeten. Bei mir. Hier im Büro. Heute Nachmittag.«

Kapitel 31
    Schon die Art, wie ihre Nachbarin die Kaffeetasse vor sie auf den Tisch stellte, widerte Ulla Bresecke an. Frau Faul lächelte dabei, als überreichte sie den Oscar oder war gerade auf eine neue Religion gestoßen. Beflissenheit in ihrer penetranten Form war Ulla Bresecke ein Graus, jenes Übertreiben einer alltäglichen Situation aus dem eigenen, vermeintlichen Glück heraus. Sie fragte sich ein weiteres Mal an diesem Vormittag, was sie geritten hatte, die Einladung ihrer Nachbarin zum vormittäglichen Kaffeeplausch anzunehmen, statt sie als Aprilscherz abzutun. Es war vier, fünf Jahre her, dass sie das letzte Mal bei den Fauls gewesen war, und schon damals war sie sicher, es ein

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