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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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–, waren verschwunden.
    Sie erhob sich mühsam und blickte zum Dach hinauf, voller Ehrfurcht und Demut. »Danki« , flüsterte sie und lief hinaus in die Dunkelheit.
    Wie alle anderen sechzehnjährigen Amisch-Jungen ging auch Levi Esch nicht mehr zur Schule. Er hatte die achte Klasse abgeschlossen und war jetzt bald in dem Alter, in dem er durch die Taufe in den amischen Glauben aufgenommen werden würde. In der Zwischenzeit half er bei Aaron Fisher aus, der keinen Sohn mehr hatte, der ihn auf der Milchfarm unterstützte. Den Job hatte Levi auf Empfehlung seines älteren Vetters Samuel hin bekommen, der inzwischen schon seit fünf Jahren bei den Fishers in die Lehre ging. Und da alle wußten, daß Samuel in naher Zukunft die Tochter der Fishers heiraten und seine eigene Farm bewirtschaften würde, konnte Levi wohl bald mit einer Beförderung rechnen.
    Sein Arbeitstag begann um vier Uhr morgens. Es war noch stockdunkel, und Levi konnte nicht sehen, wie Samuels Kutsche ankam, aber er hörte das schwache Klingeln von Geschirr und Zugriemen. Er griff sich seinen breitkrempigen Strohhut, lief hinaus und sprang auf den Sitz neben Samuel.
    »Morgen«, sagte er außer Atem.
    Samuel nickte ihm zu, sagte aber nichts.
    »Was ist los?« neckte Levi. »Hat Katie dir gestern keinen Gutenachtkuß gegeben?«
    Samuel blickte finster und versetzte Levi einen Stoß, so daß dessen Hut nach hinten in die Kutsche rollte. »Halt doch einfach die Klappe.« Der Wind raunte im zerzausten Rand des Maisfeldes, während sie schweigend dahinfuhren. Nach einer Weile steuerte Samuel den Einspänner auf den Hof der Fishers. Levi bohrte die Spitze seines Stiefels in die weiche Erde und wartete, bis Samuel das Pferd ausgespannt und auf die Weide geführt hatte, dann gingen sie zum Stall.
    Die Lampen, die sie beim Melken brauchten, wurden von einem Generator gespeist, der auch die Vakuumpumpen mit Strom versorgte, die an den Zitzen der Kühe befestigt wurden. Aaron Fisher kniete neben einem Tier, besprühte das Euter mit Jodlösung und wischte es dann mit einer Seite aus einem alten Telefonbuch trocken. »Samuel, Levi«, begrüßte er sie.
    Er sagte ihnen nicht, was sie zu tun hatten, weil sie es längst wußten. Samuel schob die Schubkarre unter ein Silo und fing an, das Futter zu mischen. Levi schaufelte den Mist hinter den Kühen heraus, blickte dabei immer wieder zu Samuel hinüber und wünschte sich, er wäre schon ebenso erfahren wie er.
    Die Stalltür ging auf, und Aarons Vater kam hereingeschlendert. Elam Fisher wohnte im Groossdaadi-Haus , einer kleinen Wohnung, die dem Haupthaus angeschlossen war. Elam half zwar beim Melken, doch Levi kannte die ungeschriebenen Regeln: darauf achten, daß der alte Mann nichts Schweres trug, verhindern, daß er sich übermäßig anstrengte, und ihm das Gefühl geben, daß Aaron ohne ihn nicht zurechtkäme, obwohl dieser das durchaus gekonnt hätte, jederzeit. »Jungs«, polterte Elam und blieb dann wie angewurzelt stehen. Seine Nase kräuselte sich über dem langen, weißen Bart. »Ha, wir haben ein Kälbchen bekommen.«
    Verwundert richtete Aaron sich auf. »Nein. Der Verschlag ist leer.«
    Elam schüttelte den Kopf. »Aber es riecht so.«
    »Hier riecht’s eher nach Levi, der mal wieder ein Bad gebrauchen könnte«, scherzte Samuel, während er vor der ersten Kuh eine Ration Futter auskippte. Als Samuel mit der Schubkarre an ihm vorbeikam, holte Levi aus, rutschte jedoch auf dem frischen Mist aus und landete in der Auffangrinne für die Gülle. Er biß die Zähne zusammen, als Samuel laut loslachte. »Das reicht jetzt«, sagte Aaron tadelnd, obwohl es auch um seine Lippen zuckte. »Levi, ich glaub, Sarah hat deine sauberen Sachen in die Sattelkammer gelegt.« Levi rappelte sich mit glühenden Wangen wieder auf. Er ging in das Kämmerchen, in dem die Decken und das Zaumzeug für die Arbeitspferde und Maultiere der Farm aufbewahrt wurden.
    Levi schaute sich um, konnte aber nirgendwo Kleidung entdecken. Dann fiel ihm etwas Buntes in dem Stapel Pferdedecken auf. Wenn Sarah Fisher seine Sachen gewaschen hatte, dann wahrscheinlich zusammen mit der übrigen Wäsche. Er hob die schwere, gestreifte Decke hoch und sah seine Hose und sein smaragdgrünes Hemd zu einem Bündel zusammengerollt. Levi machte einen Schritt nach vorn, um die Sachen an sich zu nehmen, als er plötzlich in das winzige, reglose Gesicht eines Neugeborenen blickte.
    »Aaron!« Levi keuchte. »Aaron, du mußt sofort kommen.« Aaron wechselte

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