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Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Gereon
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lauschte. Außer einem leisen Gemurmel, das von den Klassenzimmern nach außen drang, herrschte auf dem Flur wohltuende Ruhe. Das würde in wenigen Minuten anders sein. Eine große Wanduhr zeigte ihr, dass die Pause gleich beginnen musste, wenn sich am Stundenablauf nichts geändert hatte. Im selben Augenblick zerriss das Läuten der Schulglocke die mönchische Stille. Türen brachen auf wie Schleusen und innerhalb von Sekunden strömten die Kinder und Jugendlichen aus den Schulzimmern und füllten die Gänge mit hellem Stimmengewirr und lautem Lachen. Der Geräuschpegel schnellte schlagartig nach oben. Wie ausgehungert stürmten Schüler den kleinen Verkaufsstand, andere drängten hinaus auf den Schulhof ins Freie oder in Richtung Haupteingang. Linda wusste aus früheren Tagen, dass es gerade die älteren Schüler zum Elisabethmarkt zog, der gleich über die Straße lag.
    Sie flüchtete vor der lärmenden Meute in Richtung Direktorat und fand das Vorzimmer von Doktor Thomas Pfaff, der die Schule leitete. »Ich möchte bitte den Direktor sprechen. Lange. Kripo München.« Sie zeigte der überraschten Sekretärin ihren Ausweis. Doktor Pfaff saß gerade mit einem anderen Mann an einem Besprechungstisch, als Linda eintrat.
    Doktor Pfaff stand auf und begrüßte sie. »Kripo München? Was kann ich für Sie tun, Frau Lange?«
    Der andere Mann drehte sich zu ihr um und starrte sie neugierig an. »Lange? Linda Lange?« Er sprang von seinem Stuhl auf und ging zu ihr. »Ich bin’s, Alex. Alexander Paulsen aus der 10 B. Erinnerst du dich nicht?«
    Linda erinnerte sich sofort. Sie spürte, wie sie errötete. Alexander umarmte sie spontan. Der Direktor räusperte sich. Linda löste sich aus der Umarmung und stand etwas verlegen da.
    Alexander ergriff das Wort. »Wissen Sie, Herr Doktor Pfaff, wir beide waren auch mal Schüler hier, nicht in der gleichen Klasse. Ja, und nun treffe ich dich hier wieder, nach mehr als zehn Jahren.«
    »Was für eine Überraschung«, murmelte Linda.
    »Das ist allerdings eine Überraschung«, stimmte der Direktor zu, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Wir sind ja fertig«, sagte Alexander und packte seine Unterlagen zusammen. Dann reichte er dem Direktor die Hand. »Sie hören von mir. Spätestens übermorgen haben Sie ein Angebot auf Ihrem Tisch.« Er wandte sich Linda zu. »Soll ich auf dich warten, Belinda? Drüben am Markt? Du weißt schon wo.«
    »Ja«, stimmte sie schnell zu, noch ganz überrascht von dem zufälligen Zusammentreffen. Sie spürte, dass ihr Herz schneller schlug. Belinda hatte er sie genannt. So wie damals. »Ich brauche aber ein paar Minuten hier.«
    »Kein Problem, ich warte auf dich.« Alexander verabschiedete sich und verließ das Büro.
    Linda fischte das Foto aus ihrer Jacke und zeigte es dem Direktor. »Das ist Vanessa Schön. Sie geht in die 11 A. Kennen Sie das Mädchen?«
    »Wir haben hier über zweitausend Schüler. Sie werden verstehen, dass ich nicht jeden Name kenne, aber das Gesicht sagt mir etwas. Hübsches Mädchen. Was ist denn mit ihr? Aber setzen wir uns doch.« Er setzte sich.
    Linda nahm ebenfalls Platz. »Das wissen wir nicht. Sie ist seit Freitagabend verschwunden.«
    Der Direktor runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da weiterhelfen kann. Aber sprechen Sie mit ihren Mitschülern. Und zuvor könnten wir die Pause nutzen und die Kollegen fragen. Die meisten sitzen jetzt nebenan im Lehrerzimmer.« Er erhob sich.
    Linda nickte und folgte Doktor Pfaff ins Lehrerzimmer, das sie während ihrer Schulzeit nie betreten hatte. Neugierig sah sie sich um. Um einen sehr langen Tisch mit Platz für mindestens vierzig Menschen saßen Frauen und Männer verschiedenen Alters. Die meisten Stühle waren besetzt. Linda sah sich neugierig um, ob sie noch einen Lehrer aus ihrer Schulzeit entdecken konnte. Aber nur bei einem Gesicht kam eine vage Erinnerung an ihren Lateinlehrer zurück. Ob er das sein könnte? , überlegte sie, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Nein, dieser Mann war zu jung. So, wie es aussah, war keiner ihrer Lehrer mehr an der Schule. Jedenfalls schien heute keiner anwesend zu sein.
    Niemand nahm Notiz von ihnen. Einige der Lehrer unterhielten sich miteinander, andere lasen oder korrigierten Klassenarbeiten.
    »Kolleginnen und Kollegen, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten«, sagte der Direktor mit fester Stimme. Alle Blicke richteten sich auf ihn. »Ich möchte Ihnen Frau Lange vorstellen. Sie ist von der Kriminalpolizei und

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