Die Eisbärin (German Edition)
interessant. »Wieso?«
»Sie hatte etwas anderes vor. Ich weiß nicht, was. Sie hat ein Geheimnis darum gemacht.«
»Könnten Sie mich bitte ansehen«, sagte Linda und wartete bis Meret sich langsam umgedreht hatte und ihr ein verschlossenes Gesicht präsentierte. »Dann haben Sie Vanessa am Freitagabend das letzte Mal gesehen?«
»Ja, sie ist gegen neun Uhr gegangen.«
»Irgendeine Idee, wo Vanessa hin wollte oder wo sie jetzt sein könnte?«
Meret schüttelte den Kopf.
Linda hatte das vage Gefühl, dass das Mädchen ihr nicht alles erzählte. »Vanessa hat ihren Eltern gesagt, dass sie das Wochenende bei Ihnen verbringen würde.«
»Davon weiß ich nichts. Vanessa ist nicht bei mir gewesen.«
»Hat Vanessa einen Freund?«
Meret zuckte nur mit den Schultern
»Was heißt das? Was ist mit Sebastian Klimt?«, bohrte Linda nach.
»Der ist in unserer Klasse.«
»Und?«
»Das mit Sebastian ist schon lange vorbei. Vanessa hat vor … zwei Monaten Schluss gemacht.«
»Und wie ist er damit umgegangen? Ist ja nicht ganz einfach, sich aus dem Weg zu gehen, wenn man in derselben Klasse ist, oder?«
Meret zog erneut die Schultern hoch. »Sebastian ist cool.«
»Interessiert es dich denn gar nicht, wo Vanessa stecken könnte?«, fragte Linda ungeduldig und ärgerte sich, dass sie das Mädchen geduzt hatte. »Vielleicht ist ihr etwas passiert?«
»Was soll ihr schon passiert sein?«, widersprach Meret genervt. »Sie taucht schon wieder auf.«
Linda musterte Meret eindringlich. Entweder wusste sie wirklich nichts oder sie log.
»War’s das?«, fragte Meret und blickte unruhig zur Seite. »Ich muss zurück in die Klasse.«
Linda gab ihr eine Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas von Vanessa hören oder wenn Ihnen noch etwas einfällt. Ist Sebastian heute da?«
Meret nickte.
»Schicken Sie ihn mir bitte heraus.«
Meret verschwand schnell. Kurz darauf tauchte der Schüler auf. Linda redete erst gar nicht um den heißen Brei herum, sondern kam sofort zur Sache. »Vanessa hat mit Ihnen Schluss gemacht? Wie haben Sie sich dabei gefühlt?«
Sebastian sah gleichmütig drein. »Kein Problem. Da war eh die Luft raus.«
»Sie nehmen das sehr locker?«
»Alles easy, außerdem ist das eine Ewigkeit her.«
Linda schüttelte ihre Locken. Eine Ewigkeit? Die Trennung lag gerade mal acht Wochen zurück, wie sie wusste. Aber das Thema Zeitqualität wollte sie hier nicht diskutieren. »Kann es sein, dass Vanessa einen anderen Freund hat?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Aber sie hatten nach der Trennung noch Kontakt?«
»Klaro. Wir gehen in die gleiche Klasse.«
»Und wo könnte sie jetzt sein?«
»Bin ich Jesus?«
Linda hatte genug. Keiner wusste etwas oder wollte etwas wissen. Und es schien auch niemanden hier sonderlich zu beschäftigen, dass Vanessa verschwunden war. Sie gab Sebastian ebenfalls ihre Visitenkarte, dann schickte sie ihn in seine Klasse zurück und verließ die Schule. Sie überquerte die Straße und ging zum Elisabethmarkt, wo Alexander Paulsen auf sie warten wollte.
Den Markt gab es seit über hundert Jahren. Damals hatten hier noch eine Markthalle, ein Milchhäusl und Ställe gestanden. Die waren irgendwann verschwunden und hatten kleinen Marktständen Platz gemacht. Tagsüber herrschte hier quirliges Treiben. Vor allem die Schüler aus dem Gisela-Gymnasium und der benachbarten Berufsschule bevölkerten am Vormittag den Platz. Es gab einige Kioske, die Kaffee, Getränke und Snacks anboten. In der Mitte des Marktes befand sich ein großer, runder Sandkasten, wo sich Schwabinger Mütter mit ihrem Nachwuchs einfanden, wenn es das Wetter zuließ. Heute war er jedoch verwaist. Nur Alexander Paulsen lehnte an der Holzbalustrade, die den Sandkasten vor Hunden und ihren Hinterlassenschaften schützen sollte. Es mutete ihr seltsam an, ihn nach so langer Zeit genau hier wiederzusehen.
Er grinste sie verschmitzt an. »Schon irgendwie komisch, dass wir uns genau hier wieder treffen, was?«
Linda lächelte. »Ja, ziemlich seltsam.«
»Hast du Zeit für einen Kaffee?« Er nahm sie an der Hand. »Hier draußen ist es zu ungemütlich.«
»Okay.«
»Dann lass uns schnell zu Susa gehen.«
Linda stimmte zu. Sie kannte den kleinen Kiosk, den es seit einigen Monaten hier auf dem Markt gab.
»Du bist also bei der Mordkommission?«, fragte Alexander, als sie sich gesetzt hatten, und sah sie ungläubig an.
»Ja.«
»Und welchen Mörder jagst du gerade?«
»Keinen.« Linda lachte. »Ich hatte nur
Weitere Kostenlose Bücher