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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Seil aufgepasst.«
    »Danke, war super. Danke, Marcus. Wir haben’s geschafft!«
    »Ganz knapp. Als ich mich geduckt habe, ist er grade um die Ecke gekommen. Er hätte das letzte Stück Seil noch sehen können, wenn er hochgeschaut hätte.«
    »Hat er aber nicht.«
    »Nein.« Simon ließ sich mit dem Rücken gegen die Mauer plumpsen. »Du auch, Marcus. Gut gemacht.«
    Marcus saß ihnen gegenüber, den Rücken an das Metallgeländer gelehnt. Er war sehr blass, nur auf seinen Wangen leuchteten zwei hektische rote Flecken. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. »Ihr müsst nicht extra nett zu mir sein«, brummte er. »Ich weiß, dass meine Nummer Scheiße war.«
    »Du bist drin«, sagte Emily. »Das ist doch, was zählt.«
    »Ich fühl mich wie erschossen. Ich glaub, ich sterb gleich.«
    »Wart’ne Minute. Dann ist wieder alles okay.«
    »Ich brauch erst mal’ne Zigarette.«
    »Kommt nicht infrage. Damit schickst du uns bloß Harris auf den Hals.«
    »Wie denn? Das riecht der nie.« Marcus suchte in seinen Jackentaschen herum.
    »Na, dann mach doch und riskier’s. Wirst ja sehen, was passiert, wenn er hier reinkommt.«
    »Wir sollten besser vorsichtig sein«, meinte Simon versöhnlich. »Und eins ist klar: Wenn er tatsächlich reinkommt, fallen wir hier oben gleich auf. Wir müssen woandershin.«
    »Warum sollte er denn reinkommen? Ist doch alles abgesperrt.« Trotzdem reckte Marcus den Hals, um einen ersten Eindruck davon zu kriegen, wo sie sich befanden. Er hörte auf, mit seinen Händen in den Taschen herumzuwühlen, und wurde ganz ruhig und still.
    »Ja«, sagte er andächtig. »Deshalb sind wir hergekommen.«
    Sie saßen auf einem steinernen Vorsprung, ungefähr einen Meter breit, der wie ein Gang an der Innenseite der ganzen Mauer entlanglief. An den meisten Stellen war er überdacht, aber dort, wo sie sich befanden, schien die Decke von der gleichen Kraft zerschmettert worden zu sein, die auch das Loch in die Außenmauer gerissen hatte. Alle drei Meter fing ein neuer Bogen des Deckengewölbes an, und zwischen den Stützpfeilern war ein modernes Metallgeländer angebracht, damit die Besucher gefahrlos den Gang entlanggehen konnten.
    Diese Vorsichtsmaßnahme war keineswegs überflüssig. Hinter dem Geländer ging es steil in die Tiefe. Weit unten erstreckte sich ein weißer Teppich unberührten Schnees.
    »Der Boden ist weggebrochen«, sagte Marcus.
    »Kann sein, weiß nicht.«
    »Klar ist das so. Seht ihr den Kamin auf der gleichen Höhe, wie wir sind?« Er hing dort in der Luft, sein gewölbter Rauchabzug öffnete sich sechs Meter oder mehr über dem Boden. »Das ist ein riesiges Ungetüm. Er gehörte wahrscheinlich zu dem großen Rittersaal, der auf diesem Stockwerk lag. Von diesem Gang aus hätten wir ihn betreten können. Aber der Fußboden ist eingestürzt. Dort unten waren bestimmt die Vorratsräume.«
    »Dann lass uns mal dorthin«, sagte Simon.
    Als sie aufstanden, war von Marcus plötzlich ein überraschter Ausruf zu hören. »Was ist denn das?« Er deutete auf eine kleine Holzbude tief unten im Schnee. »Ist das ein Gartenhäuschen?«
    Emily blickte hinunter. »Ach so, der Souvenirshop. Dort verkaufen sie Führer, Postkarten und solche Sachen.«
    »Nicht so laut!« Simon hatte seine Stimme zu einem Flüstern gesenkt.
    »Okay, Chef. Dann suchen wir jetzt nach einer Treppe.« Marcus war wieder besserer Laune. »Wo geht’s lang? Nach links, würde ich sagen.«
    Er ging los und bald hatte ihn der Schatten des überwölbten Gangs verschluckt. Durch die offenen Bögen war Schnee hereingeweht, aber die meisten Bodenplatten waren dunkel und nass. Emily spürte, wie von den Steinen eine dumpfe, feuchte Kühle ausging, die anders war als die Kälte des Wintertags.
    »Aha!« Marcus hielt an. Der Gang änderte die Richtung und setzte sich in einem 90-Grad-Winkel fort, aber an dieser Stelle gab es auch einen niedrigen Durchgang, der zu einer Wendeltreppe führte. Stufen verschwanden aufwärts und abwärts im Dunkel.
    »Zuerst nach unten«, sagte Marcus. »Wir müssen unser Territorium absichern, alles unter Kontrolle bringen.«
    Von seinen Worten strömte etwas aus, das sie mit neuer Energie erfüllte. Nacheinander stürmten sie die Stufen der Wendeltreppe hinab, an schmalen Schießscharten vorbei und dann, durch einen weiteren Durchgang, hinaus in die plötzliche blendende Helle aus Licht und Schnee.
    Hinaus in den weißen Innenhof, unter den offenen Himmel. Sie standen nicht still, sondern gingen

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