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Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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abgesehen haben?
    »Denkst du dasselbe wie ich, Malver?« flüsterte jemand neben mir. Ich erschrak. Indes war es nur Tramin, der lautlos neben mich trat und gleich mir den Blick nicht mehr abzuwenden vermochte.
    Ich begann mich zu fragen, was der Opferstein aus dem Herzen von stong-nil-lumen wirklich darstellte. Welch kostbare Last begleiteten wir, ohne um ihre wahre Bedeutung zu wissen?
    »Cherzoon… zoon… zoon…« Drudins Stimme schien tausend verschiedene Echos zu haben. Seine Hände verkrampften sich um die Maske, die er trug. Dann, mit einer blitzschnellen Bewegung, riss er sie sich vom Gesicht. Was immer ich zu sehen erwartet hatte, ich wurde enttäuscht. Aus gütigen Augen blickte der Priester in die Runde. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln – er besaß die vollen Lippen eines heißblütigen Mädchens.
    Es bedurfte nur einer einzigen Handbewegung, um die Leichen der Angreifer so schnell verschwinden zu lassen, wie die Krieger zwischen uns erschienen waren. Sie lösten sich auf, als habe es sie nie gegeben.
    Drudin schritt auf den Schwarzstein zu, rückte das Tuch zurecht und zog es sich selbst bis über die Schultern. Niemand konnte sehen, was er auf dem Wagen tat. »Haltet euch nicht länger auf!« wurde eine Stimme laut. »Euer harrt eine große Aufgabe.«
    *
    Cherzoon zeigte sich ihm mit dem Gesicht des Alptraumritters Coerl O’Marn. »Ich verstehe das nicht«, sagte Drudin.
    »Vergiss es«, entgegnete der Stein. »Das Erscheinen der Geisterreiter ist bedeutungslos.«
    »Aber was geschehen ist, kann sich jederzeit wiederholen.«
    Der Dämon wechselte die Erscheinungsform. Aus den Augen des Kämpen, der Drudin auf dem Weg nach stong-nil-lumen begegnet war, musterte er den Priester. »Ein ähnliches Zusammentreffen wird es nicht mehr geben.«
    »Und wenn doch?« beharrte Drudin. »Du weißt, dass es uns schwerfiel, die Spiegeltoten in ihre Welten zurückzudrängen.«
    »Soll ich dich für unfähig halten?« zischte der Dämon. »Vielleicht möchte einer aus dem Priesterrat deine Stellung einnehmen. Parthan möglicherweise – oder Calphor; Ghamel eventuell…«
    Drudin zuckte merklich zusammen. »Ich werde alles tun, um deinen Zorn nicht zu erregen«, versprach er.
    Es war ein Fehler gewesen, Cherzoon wegen dieses Emporkömmlings Mythor, der sich anmaßte, das Erbe des Lichtboten anzutreten, Vorwürfe zu machen. Die Reaktion des Dämons zeigte deutlich, dass er nachtragend war.
    *
    »Hurtig eilet, Wind und Wellen,
    tragt gen Norden uns, Gesellen.
    Unser Ziel liegt weit von hier,
    südlich, möcht’ ich sagen -
    Logghard zu erreichen,
    trachten wir,
    auch Mythor will es wagen.«
     
    Der Klang der Laute verhallte im Plätschern des Wassers und dem leisen Säuseln der Lüfte, die von Süden her wehten und Wärme brachten.
    »Ausgezeichnet, Lamir von der Lerchenkehle, großer Meister der Dichtkunst und des Gesanges. Von Mal zu Mal werden deine Verse besser.«
    Der derart Angesprochene warf der neben ihm sitzenden Frau einen forschenden Blick zu. Die dunkelhäutige Schönheit lächelte verhalten. »Es ist nicht nett von dir, Buruna, meiner zu spotten«, kam es stockend über des Barden Lippen.
    Sie tat erschrocken, hob abwehrend beide Arme. »Möge Quyl mich vor solcher Torheit bewahren…«
    »Offensichtlich tut er dies nicht.« Lamir erhob sich umständlich und starrte auf die Wellen hinab, die sich in schäumender Gischt am Rumpf des Schiffes brachen. In schneller Fahrt eilte die Drache von Leone den Sarro hinunter.
    Eine Hand strich zärtlich über seinen Nacken. Er konnte nicht widerstehen, zog Buruna, die ehemalige Liebessklavin auf Burg Anbur, eng an sich.
    »Ich meine es ernst«, sagte sie. »Niemals würde es mir einfallen, dich zu kränken.«
    »Niemals?« fragte Lamir zögernd.
    »Nein«, antwortete sie. »Immerhin begleitest du mich, um Mythor zu suchen.«
    »Fürwahr.« Der Barde nickte. »Deine Dankbarkeit könntest du mir auch in anderer Form beweisen.«
    »Schurke!« rief Buruna in gespielter Entrüstung. Aber sie hauchte Lamir einen flüchtigen Kuss auf die Wange, woraufhin er wieder die Saiten seines Instruments schlug.
     
    »Oh Göttertrank, oh süßer Seim,
    du güld’ne Fee im Mondschein…«
     
    »Meinst du mich?« wollte sie wissen.
    »Wen sonst?« flüsterte der Barde. »Gar einen der leonitischen Krieger, die unser Schiff zur Spirischen Bucht lenken?«
    Buruna konnte nicht anders, sie platzte lauthals heraus. Seit ihrem Aufbruch hatte Lamir sich verändert. War es das

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