Die Eiskrone
Wahrsager umkippte.
Im nächsten Moment stand Roane neben der Prinzessin. Ludorica war sehr blaß und sah erschöpft aus, aber die Aura des Bösen war nicht mehr um sie. Ihre Haut war fiebrig heiß, und ihre Lippen waren ausgedörrt. Aber sie lebte und atmete wie eine Schlafende.
Wuldon zog den zappelnden Wahrsager am Kragen in die Höhe. Er schüttelte ihn kräftig und sah Imfry an. »Sir, der ist jetzt hinüber. Aus dem kriegen wir kein vernünftiges Wort heraus. Was hat er mit der Königin angestellt?«
Imfry nahm eine von Ludoricas Händen zwischen die seinen. »Sie steht unter dem Einfluß der Geistkugel, glaube ich. Dafür wird es eine schauerliche Vergeltung geben!« Er drehte sich um und bückte sich nach der Kugel, die zu Boden gefallen war. Er hob sie hoch und schlug sie mit aller Kraft auf den Boden, so daß sie zersprang. Shambry kreischte und wehrte sich erbittert gegen Wuldons Griff, aber zwei Männer eilten ihm zu Hilfe.
Ludorica bewegte ihren Kopf auf dem Kissen. Dann öffnete sie die Augen. Kein Funke des Erkennens war in ihnen.
»Kümmere dich um sie«, sagte Imfry zu Roane. »Einer fehlt uns noch aus dieser Runde. Den müssen wir jetzt finden.«
Mit ein paar Schritten war er bei einer weiteren Tür, die er mit der Schulter aufstemmte. Roane sah eine Säulenhalle, die sehr groß sein mußte. Was sie aber im Türausschnitt erkannte, war eindeutig ein Thron auf einer Estrade, und auf dem Thron saß jemand mit einer eisig glitzernden Krone auf dem Kopf. Er wandte nicht einmal den Kopf, als Imfry hineinstürmte.
Er war auch nicht allein. Seine Begleitung stand jedoch nicht in jener Haltung da, die in Gegenwart des Königs üblich ist, sondern lag in wüstem Durcheinander vor ihm auf dem Boden. Imfry mußte also über deren Körper wegsteigen.
»Reddick!«
Der Herzog schien nichts gesehen oder gehört zu haben. Er saß wie zu Stein geworden da. Der Colonel musterte ihn, trat rasch zum Thron und legte seinem Feind eine Hand auf die Schulter.
Schnell und mit einem unterdrückten Schrei zog er sie zurück, denn diese kurze Berührung beendete den Traum in der Form und Gestalt eines Menschen. Die Krone zerbrach und sandte einen kungelnden Splitterregen über die Schultern des Mannes, der sie getragen hatte. Dann schrumpfte Reddick zu einem häßlichen, schwarzen Etwas zusammen, dessen Anblick Roane nicht ertragen konnte. Sie schrie und schlug die Hände vor das Gesicht.
Ludorica hatte man aufgesetzt und mit Kissen gestützt. Roane fütterte sie und gab ihr gewässerten Wein zu trinken.
Die Königin schien unendlich schwach zu sein. Manchmal lächelte sie ein wenig, und einmal murmelte sie Imfrys Namen, als er kam, um nach ihr zu schauen. Sie war also bei Bewußtsein.
Roane wandte zwei Präparate aus ihrem Sanitätskasten an, doch sie nützten nichts. Ludorica war nun schwach und hilflos wie ein Kind.
Vielleicht würden sie nie erfahren, was im Palast vorgegangen war, ehe sie kamen. Denkbar erschien, daß Reddick sich die Eiskrone aufgesetzt hatte, ehe die Geräte in der Höhle zerstört wurden. Das wäre die Erklärung für seinen gespenstischen Tod auf dem Thron und das Ende all jener, die bei ihm gewesen waren. Shambry war wahnsinnig und lag in einer Art Starrkrampf, den sie nicht zu lösen vermochten.
Roane sorgte sich um die Königin; sie hätte der Hilfe eines geschickten Arztes bedurft, doch Roane hoffte, daß sie auch so allmählich ganz zu sich kommen würde. Imfry hatte sie aber die Wahrheit gesagt, und er hatte ein paar Leute um Hilfe weggeschickt.
Urkermark erwachte allmählich wieder zum Leben. Die Stadt, die Reddick in einem eisernen Griff gehalten hatte, war frei. Einige Ratgeber waren tot, ein paar verschwunden, aber vier hatte man gefunden und zum Palast gebracht. Die Diener kamen zurück, und die Posten waren vertrauenswürdige Leute aus Imfrys Umgebung.
Roane hatte ein paar von den Damen der Prinzessin als Hilfe. Man hatte sie in ihren Kammern eingesperrt gefunden und natürlich sofort befreit. Erst waren sie auf Roane eifersüchtig gewesen, aber als sie sahen, in welchem Zustand sich die Königin befand, waren sie um die Hilfe der Fremden froh. Nachts schlief Roane auf einem Diwan am anderen Ende des Raumes.
Seit sie Imfry gebeten hatte, bei ihren eigenen Leuten Hilfe zu suchen, war der Colonel nicht mehr gekommen; er war mit seinen Männern weggeritten. Wenn das Beiboot noch auf Clio war und sich die Außenweltler zur Hilfe bereit erklären, dann konnte für Ludorica
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