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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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brachte es nicht über sich, den alten Mantel zu ersetzen. Nur sehr wenige Menschen wussten um diese verborgene Leidenschaft von Grove: Er sammelte Dinge. Er war nicht sentimental, aber insgeheim bewahrte er bestimmte Sachen auf. Wie zum Beispiel die Plastikflasche mit dem Rest Badeöl auf dem obersten Regal seines Wäscheschranks im Bad. Dieses Öl hatte Hannah benutzt. Monate nach dem Tod seiner Frau, unfähig zu weinen, unfähig, die Trauer herauszulassen, war Grove der Duft des gottverdammten Lavendelöls wie geisterhaft aus den Handtüchern in die Nase gestiegen, aus den Schubladen der Kommode und aus seiner eigenen Kleidung. Schließlich hatte er die Badewanne mit warmem Wasser und der Hälfte des Öls gefüllt, war hineingeklettert und hatte mehr als eine Stunde lang wie ein kleines Baby geweint. Das war vor fast acht Jahren gewesen, und noch immer stand die Ölflasche in dem Wäscheschrank.
    Therapien hatten nicht geholfen. Ein Analytiker meinte, Grove verarbeite seinen Kummer, indem er sich in seine Arbeit stürze und Gewaltverbrecher mit einer heiligen Rachsucht jage, so als könne er mit dem Versuch, weitere Morde zu verhindern, den Verlust seiner Frau kompensieren. Was natürlich absurd war. Grove war einfach der geborene Menschenjäger.
    Von dem Augenblick an, da er als Kind seinen ersten Sherlock-Holmes-Krimi gelesen hatte, über das Studium der Kriminologie an der University of Michigan bis hin zu seinen Jahren als Offizier in der Armee hatte Ulysses sich als Naturtalent erwiesen. Als er 1987 ehrenvoll aus dem Dienst entlassen wurde – nur wenige Monate nachdem er eine Ermittlerkollegin geheiratet hatte, die entzückende und erstaunliche Hannah S. Washington –, holte ihn das FBI.
    Es hatte nichts mit Quotenregelung zu tun – wenngleich die Führungsspitze in Quantico froh darüber war, einen brillanten, vielseitig begabten Schwarzen in ihrem Team zu haben –, dass er eine meteoritengleiche Karriere begann. Die Gründe waren viel einfacherer Natur. Ulysses Grove erzielte Ergebnisse. Im Jahr 1990 war Grove der einzige Ermittler, der die Ansicht vertrat, die Polizei von Oregon habe im Fall des «Smiley-Face-Killers» den falschen Mann verhaftet. Nachdem er ein gekritzeltes Smiley-Gesicht an der Toilettenwand einer Tankstelle gesehen hatte, war Grove seiner Eingebung gefolgt und hatte die Detectives schließlich zu dem wahren Mörder geführt – einem geistesgestörten Fernfahrer namens Keith Hunter Jesperson. 1996 arbeitete Grove mit Interpol zusammen und half, Anatoli Onoprienko zu fassen, einen ehemaligen Psychiatriepatienten aus der Ukraine, bei dem es sich mit der Rekordzahl von zweiundfünfzig bestätigten Morden um den vielleicht umtriebigsten Serienmörder aller Zeiten handelte. Groves Beobachtung, dass Onoprienkos Freundin einen gestohlenen Ehering am Finger trug, war der entscheidende Hinweis in diesem Fall.
    Eine makellose Laufbahn – und dann dieser Sun-City-Mörder.
    In dem Moment, als Grove im vergangenen Frühling das erste Opfer in jenem abgelegenen Dorf in Nord-Illinois gesehen hatte, wusste er, dass er auf einen ebenbürtigen Gegner gestoßen war. Sie hatten die Frau in einem Maisfeld auf dem Rücken liegend gefunden, mit einer tiefen Wunde am Hinterkopf. Die Frau hatte ihre kalten, toten Arme vor der Brust verschränkt gehalten, wobei ein Arm höher in die Luft geragt hatte als der andere. Grove fühlte sich wie ein Künstler, der mit einer Kreativitätsblockade rang. Er konnte das Muster nicht enträtseln. Er war nicht in der Lage, ein psychologisches Profil zu erstellen.
    Er fühlte sich wie hirntot.
    So tot wie all diese willkürlich ermordeten Menschen in ihrer unerklärlichen barocken Pose.
    Während des Flugs bemerkte Grove aus dem Augenwinkel, dass ihn ein junges Mädchen in einem Sweatshirt der Colorado State University auf der anderen Seite des Gangs unverwandt anstarrte. Grove war solche begehrlichen Blicke gewohnt. Die meisten Männer wären von so viel weiblicher Aufmerksamkeit sehr geschmeichelt gewesen – nicht so Grove. Sein gutes Aussehen hatte schon sein ganzes Leben lang wie ein Fluch auf ihm gelastet. Auf Frauen schien er eine unerklärliche Anziehungskraft auszuüben, obwohl Grove sich selbst nicht attraktiv fühlte. Er fand sich nicht begehrenswert. Es gab sogar viele Aspekte seines Aussehens, die er hasste. Er hasste sein krauses onyxfarbenes Haar, seine ausgeprägten, beinahe femininen Wangenknochen und seine langen Wimpern. Er hasste seine dunkle Hautfarbe

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