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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bis zum Fuße des Eisberges eine Art Bett ausbrechen…
    – Und das, ohne einen Tag zu zögern, setzte der Kapitän Len Guy hinzu.
    – Haben Sie’s gehört, Hochbootsmann? fuhr Jem West fort. Gleich heute ans Werk!
    – Ich verstehe, und daran werden Alle gern helfen, antwortete Hurliguerly. Vorher erlauben Sie aber eine Bemerkung, Kapitän…
    – Und die wäre?…
    – Vor Beginn der Arbeit sollten wir doch wohl den Schiffsrumpf untersuchen, nachsehen, welche Havarien er erlitten hat und ob wir diese überhaupt ausbessern können. Wozu sollte es dienen, ein leckgeschlagenes Fahrzeug, das doch gleich unterginge, aufs Wasser zu setzen?«
    Die Richtigkeit dieser Bemerkung wurde allseitig anerkannt.
    Nach Zerstreuung des Nebels beleuchtete jetzt heller Sonnenschein die Ostseite des Eisbergs, von der aus der Blick einen breiten Sector des Meeres umfaßte. An dieser Seite zeigte der Abhang statt spiegelglatter Flächen, auf denen der Fuß nicht hätte haften können, Erhöhungen, Vorsprünge, wallartige Höcker und selbst ebene Flächen, die es erlaubten, ein zeitweiliges Lager aufzuschlagen. Dabei mußte man freilich darauf achten, sich gegen herabstürzende gewaltige Blöcke zu schützen, von denen manche schlecht unterstützt lagen und beim ersten Stoße hinuntergeworfen werden konnten. Im Laufe des Vormittags rollten auch wirklich einzelne mit betäubendem Gepolter ins Meer hinab.
    Im Ganzen schien der Eisberg in seiner neuen Lage aber recht gesichert zu sein. Von dem Augenblick an, wo sich sein Schwerpunkt unter der Schwimmlinie befand, war ein erneuter Umsturz kaum zu fürchten.
    Seit dem Eintritt der Katastrophe hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, mit Dirk Peters zu sprechen. Da er beim Mannschaftsappell auf seinen Namen geantwortet hatte, wußte ich, daß er sich nicht unter den Opfern derselben befand. Jetzt sah ich ihn regungslos auf einem schmalen Vorsprunge stehen; wohin seine Blicke sich richteten, das ist wohl leicht zu errathen….
    Der Kapitän Len Guy, der Lieutenant, der Hochbootsmann und die Maate Martin Holt und Hardie, die ich begleitete, begaben sich nun nach der Goëlette, um eine genaue Untersuchung ihres Rumpfes vorzunehmen. An der Steuerbordseite machte das keine Schwierigkeiten, da die»Halbrane« nach der entgegengesetzten geneigt lag. Auf der andern Seite mußte man freilich wohl oder übel einen Weg durch das Eis bis zum Kiel brechen, wenn kein Theil des Schiffsrumpfes ununtersucht bleiben sollte.
    Nach zweistündiger, sorgfältiger Besichtigung wurde denn dabei Folgendes gefunden:
    Die Havarien erwiesen sich als unbedeutend und derartig, daß sie hier recht wohl ausgebessert werden konnten. Zwei oder drei, durch die Gewalt des Stoßes zertrümmerte Planken zeigten ihre verdrehten Pflöcke (Schiffsnägel) und aufgesprungenen Fugen. Im Innern waren alle Rippen unverletzt und auch die Bauchplanken nicht von der Stelle gewichen. Unser Fahrzeug, das für Fahrten in den Polarmeeren gebaut war, hatte also zusammengehalten, wo andere mit weniger fester Construction unzweifelhaft in Stücke gegangen wären. Nur das Steuer hatte sich aus seinen Haspen gehoben; das konnte aber leicht wieder in Ordnung gebracht werden.
    Nach beendigter äußerer und innerer Besichtigung erkannten wir, daß die Beschädigungen leichterer Art waren, als man wohl befürchten mußte, und in dieser Beziehung fühlten wir uns also recht beruhigt.
    Beruhigt… nun ja… wenn es gelang, die Goëlette wieder flott zu machen.
    Nach dem Frühstück wurde beschlossen, daß die Mannschaft daran gehen sollte, ein schräg abfallendes Bett auszuhöhlen, worin die »Halbrane« bis zum Fuße des Eisbergs hinabgleiten könnte. Gebe der Himmel, daß dieser Versuch gelänge, denn unter den jetzigen Verhältnissen der Unbill des südlichen Winters zu trotzen, sechs volle Monate auf dem irgendwohin treibenden Eisberge zuzubringen – wer hätte daran ohne Entsetzen denken können? Ueberraschte uns der Winter noch hier, so wäre keiner von uns dem schrecklichsten Tode, dem Tode durch Erfrieren, entgangen.
    In diesem Augenblicke rief Dirk Peters, der, etwa hundert Schritte entfernt stehend, den südlichen und östlichen Horizont musterte, mit lauter Stimme:
    »Gegengebraßt!«
    Gegengebraßt? Was verstand der Mestize darunter, wenn nicht das, daß die schwimmende Eismasse plötzlich still gehalten hätte. Ueber den Grund dieser Erscheinung nachzugrübeln oder nach ihren Folgen zu fragen, dazu war jetzt keine Zeit.
    »Es ist doch

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