Die Eissphinx
ohne große Schwierigkeiten erfolgen.
Nach dieser entscheidenden Erwägung drängte sich noch ein anderer Punkt zur Berücksichtigung auf. Es wäre eine unentschuldbare Unklugheit gewesen, den Proviant in den Kammern der »Halbrane« zurückzulassen, deren Lage nahe am Abhange des Eisbergs doch so wenig gesichert erschien. Schon eine Erschütterung konnte ja hinreichend sein, sie aus dieser zu werfen. Jeder Stützpunkt ging ihr ja verloren, wenn die Blöcke der Mulde, worin sie lag, ihren Platz veränderten. Dann verschwanden mit ihr aber alle Nahrungsmittel, die doch unsere Existenz sicherstellen sollten!
An diesem Tage beschäftigte man sich also damit, die Kisten und Fässer mit leicht gepökeltem Fleisch, trockenen Gemüsen, Mehl, Zwieback, Thee, Kaffee, Gin, Wisky, Wein und Bier in Sicherheit zu bringen, die aus dem Frachtraum und der Cambüse (Küche) geholt und dann in einspringenden Winkeln der Eiswand, doch möglichst in der Nähe der »Halbrane«, aufgestapelt wurden.
Gleichzeitig galt es aber, das Boot möglichst zu schützen… in der Hauptsache gegen den Anschlag Hearne’s und einiger von seiner Rotte, die sich desselben gewiß gern bemächtigen und damit nach dem Packeis zu entfernen wollten.
Das große Boot mit seinem Satze von Riemen, seinem Steuerruder, Ankerhebetau, Wurfanker, seiner Bemastung und seinen Segeln wurde deshalb gegen dreißig Schritte links von der Goëlette in einer Aushöhlung, die leicht zu überwachen war, untergebracht. Während des Tages war ja nichts zu fürchten Während der Nacht oder vielmehr während der Stunden des Schlafes aber sollte der Hochbootsmann oder einer der Schiffsmaate neben der Aushöhlung Wache halten, und wir durften uns dann darauf verlassen, daß das Boot gegen jeden Handstreich gesichert war.
Der 19., 20. und 21. Januar wurden dazu benützt, sowohl die Fracht der »Halbrane« zu löschen, als auch ihre Masten auszuheben, was in der Weise geschah, daß man mehrere Raaen zu Stützmasten verwendete. Später sollte Jem West versuchen, die Bramstenge und das Bugspriet wieder anzubringen, doch waren diese ja, wenn wir nur die Untermasten hatten, nicht unbedingt nöthig, um nach den Falklands oder einem anderen zur Ueberwinterung geeigneten Ort zurückzugelangen.
Es versteht sich von selbst, daß auf dem von mir erwähnten Plateau nahe der »Halbrane« eine Art Lager aufgeschlagen worden war. Mehrere aus Segeln hergestellte und über Spieren gespannte Zelte, die das Bettzeug aus den Cabinen und der Mannschaftswohnung bedeckten, boten hinreichenden Schutz gegen den Wechsel der Witterung, der sich zu dieser Jahreszeit schon recht häufig bemerkbar machte. Im Allgemeinen behielten wir jedoch gutes Wetter bei andauerndem Nordostwinde, und die Luftwärme war sogar auf sechsundvierzig Grad (7·78° Celsius) angestiegen. Die Küche Endicotts war auf dem hinteren Theile des Plateaus neben einem schräg abfallenden Eiswall aufgestellt worden, über den man bei sanfter Steigung den höchsten Punkt des Eisbergs erreichen konnte.
Ich muß anerkennen, daß im Laufe dieser drei Tage anstrengender Arbeit gegen Hearne’s Verhalten nichts einzuwenden war. Der Segelmeister wußte, daß er besonders überwacht wurde, wie er auch wußte, daß der Kapitän Len Guy ganz rücksichtslos gegen ihn vorgehen würde, wenn er seine Kameraden etwa zum Ungehorsam zu verführen wagte. Es war bedauerlich, daß seine schlechte Neigung ihn dahin gebracht hatte, eine solche Rolle zu spielen, denn Kraft, Gewandtheit und Intelligenz machten ihn zu einem sehr schätzbaren Manne und niemals hatte er sich brauchbarer erwiesen, als unter den jetzigen Verhältnissen. War er allmählich besseren Sinnes geworden? Hatte er begriffen, daß die Rettung Aller nur von der allgemeinen Eintracht abhängig war? Ich weiß es zwar nicht, möchte aber darauf nicht vertrauen… ebensowenig wie Hurliguerly.
Ich brauche wohl den Eifer nicht hervorzuheben, womit der Mestize sich an der schweren Arbeit betheiligte, er, der immer der erste bei der Hand war, der so viel leistete, wie vier andere, und kaum einige Stunden schlief, sondern höchstens während der Mahlzeiten ausruhte, die er getrennt von den Uebrigen einnahm. Seit die Goëlette diesen schrecklichen Unfall erlitten, hatte er kaum ein Wort an mich gerichtet. Was hätte er mir auch sagen sollen? Wußte ich nicht so gut wie er, daß wir nun auf jede Hoffnung verzichten mußten, diese unglückliche Fahrt bis zu dem von ihm ersehnten Ziele
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