Die Eissphinx
fortzusetzen?
Manchmal bemerkte ich den Mestizen und Martin Holt nebeneinander, beide bemüht, eine besonders schwere Arbeit auszuführen. Unser Segelwerksmaat versäumte keine Gelegenheit, sich Dirk Peters zu nähern, der ihm aus den uns bekannten Gründen immer auswich. Und wenn ich an das mir gemachte Geständniß dachte, an den angeblichen Parker, den leiblichen Bruder Martin Holt’s, und an die grausige Scene vom »Grampus«, da überlief mich stets ein Schaudern des Entsetzens. Ich bezweifle nicht, daß der Mestize, wenn dieses Geheimniß entschleiert wurde, zum Gegenstand allgemeinen Abscheus geworden wäre. Man hätte in ihm den Lebensretter des Segelwerksmaats vergessen, und dieser, wenn er erfuhr, daß sein eigener Bruder… Glücklicherweise waren Dirk Peters und ich die einzigen, die jenes Geheimniß kannten.
Während die Entladung der »Halbrane« vor sich ging, beriethen der Kapitän Len Guy und Jem West die Frage des »Vom Stapellassens«, die sicherlich recht große Schwierigkeiten bot. Galt es doch, eine Höhe von etwa hundert Fuß zu überwinden, die zwischen der Mulde, worin die Goëlette lag, und der Oberfläche des Meeres aufstieg, und das zwar durch Aushöhlung eines schräg zur Westseite des Eisbergs verlaufenden Bettes, das mindestens zwei-bis dreihundert Toisen lang werden mußte. Während sich also eine, vom Hochbootsmann geleitete Abtheilung mit der Entladung der Goëlette beschäftigte, begann eine andere unter dem Befehle Jem West’s mit der Beseitigung oder Einebnung der Blöcke, die auf dieser Seite des schwimmenden Berges hervorragten.
Des schwimmenden?… ich weiß nicht, wie mir dieses Wort untergelaufen ist, denn der Berg schwamm ja thatsächlich nicht. Unbeweglich wie eine kleine Insel, berechtigte nichts zu der Annahme, daß er je wieder weitertreiben könnte.
Andere und ziemlich zahlreiche Eisberge zogen draußen an uns vorüber und in der Richtung nach Süden hin, während der unserige, nach dem Ausdrucke Dirk Peters’, »gegengebraßt« liegen blieb. Ob sein unterer Theil sich soweit verzehren würde, um sich vom Meeresgrunde loszulösen, oder ob eine andere Eismasse gegen ihn antrieb und unsern Berg durch einen Stoß wieder flott machen würde, darüber hatte niemand ein Urtheil, und wir konnten nur auf die »Halbrane« rechnen, um endgiltig aus dieser Gegend wegzukommen.
Die verschiedenen Arbeiten dauerten bis zum 24. Januar. Die Atmosphäre war ruhig, die Temperatur erniedrigte sich nicht, das Quecksilber des Thermometers war sogar um zwei bis drei Grad über den Gefrierpunkt gestiegen. Auch die Zahl der von Nordwesten herantreibenden Eisberge nahm weiter zu – wir sahen wohl gegen hundert – und der Zusammenprall mit einem davon konnte für uns die ernsthaftesten Folgen haben.
Der Kalfatermeister Hardie hatte zuerst die Ausbesserung des Schiffsrumpfes in Angriff genommen, wobei er Planken zu ersetzen, neue Pflöcke einzuschlagen und Fugen zu dichten hatte. Was er hierzu brauchte, war in den Vorräthen vorhanden, und wir durften annehmen, daß die Arbeit schnell und gewissenhaft ausgeführt wurde Durch die Grabesstille der eisigen Einöde schallten jetzt die Hammerschläge beim Eintreiben von Holzpflöcken, und die des Holzschlägels, mit dem die Hanfseile in die Fugen gedrängt wurden. Diesen Geräuschen mischte sich nicht selten das betäubende Geschrei von Möven zu, oder das von Trauerenten, Albatrossen und Sturmvögeln, die um den Gipfel des Eisberges flatterten.
Als ich mich mit dem Kapitän Len Guy und Jem West allein befand, drehte sich unser Gespräch in der Hauptsache begreiflicherweise um die gegenwärtige Lage, die Mittel, derselben zu entfliehen, und um die Aussichten auf endliche Rettung. Der Lieutenant war von bester Hoffnung beseelt und er glaubte auch, vorausgesetzt, daß sich bis dahin kein weiterer Unfall zutrug, das Schiff glücklich wieder ins Wasser setzen zu können. Der Kapitän Len Guy zeigte freilich weniger Zuversicht. Bei dem Gedanken, nun endgiltig auf die Auffindung seiner Landsleute von der »Jane« verzichten zu müssen, mochte ihm wohl das Herz fast brechen.
Würde er denn, wenn die »Halbrane« wieder imstande war, weiter zu segeln, wenn Jem West ihn um eine Segelordre anging, zu antworten wagen: »Nach Süden hin«? Nein, denn dieses Mal wäre ihm keiner von den neuen und gewiß nur der und jener von den alten Leuten gefolgt. Die Nachforschungen in dieser Richtung fortzusetzen, über den Pol hinauszugehen, ohne die Gewißheit,
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