Die Eissphinx
empfindlicheres Unglück, als wir früher von den Umständen so auffallend begünstigt wurden…
– Das ist vorüber, Herr Jeorling, rief der Hochbootsmann, und ich fürchte sehr…
– Wie?… Auch Sie, Hurliguerly… Sie, den ich als so zuversichtlich kannte…
– Die Zuversicht, Herr Jeorling, nutzt sich ab, wie das Sitztheil einer Hofe! Ueberlegen Sie sich nur! Wenn ich mich mit dem lustigen Kumpan, dem Atkins vergleiche, der warm in seinem guten Gasthof sitzt, wenn ich an den »Grünen Cormoran« denke, an die große Gaststube im Erdgeschoß, an die kleinen Tische, wo man mit einem Freunde am Gin oder Wisky nippt, während der Ofen lauter prasselt als der Wetterhahn auf dem Dache… da fällt der Vergleich doch wahrlich nicht zu unsern Gunsten aus, und meiner Ansicht nach hat Meister Atkins das bessere Theil zu wählen verstanden…
– O, Sie werden ihn ja wiedersehen, den wackern Atkins, Hochbootsmann, und den »Grünen Cormoran« und die Kerguelen auch!… Sapperment, nur nicht den Muth sinken lassen!… Wenn Sie freilich, als verständiger, entschlossener Mann, schon verzweifeln wollen…
– Ach, wenn ich’s allein wäre, Herr Jeorling, das hätte nicht soviel zu bedeuten!
– Nun, und die Mannschaft?
– Mit der steht’s so oder so, antwortete Hurliguerly, ich weiß wenigstens, daß einzelne Leute sehr unzufrieden sind.
– Hat Hearne etwa wieder mit seinen Hetzreden angefangen?
– Oeffentlich wenigstens nicht, Herr Jeorling, denn seitdem ich ein Auge auf ihn habe, hab’ ich nichts davon gesehen oder gehört. Er weiß ja, was ihm droht, und da zieht er die Krallen ein! Ich glaube auch nicht darin zu irren, daß der Spitzbube die Halsen gewechselt hat. Was mich von ihm kaum wundert, das wundert mich von unseren Segelwerksmaat, dem Martin Holt.
– Was wollen Sie damit sagen, Hochbootsmann?
– Daß Beide jetzt auf recht gutem Fuße miteinander zu stehen scheinen. Passen Sie nur auf; Hearne drängt sich an Martin Holt heran, schwatzt häufig mit ihm und Martin Holt kommt ihm nicht unfreundlich entgegen.
– Martin Holt ist nicht der Mann dazu, auf Hearne’s Rathschläge zu hören oder gar sie zu befolgen, wenn jener versuchte, die Mannschaft zu einer Meuterei zu verführen.
– Nein, gewiß nicht, Herr Jeorling. Es gefällt mir aber nicht, die Beiden so zusammen zu sehen. Der Hearne ist ein gefährlicher, gewissenloser Mensch, dem Martin Holt vielleicht noch nicht genug mißtraut!
– Da thäte er unrecht daran, Hochbootsmann!
– Ja, und wissen Sie denn, wovon zwischen beiden die Rede war, als ich kürzlich einige Brocken ihres Gesprächs aufschnappte?
– Ich weiß alle Dinge nicht eher, als bis Sie sie mir mitgetheilt haben, Hurliguerly.
– Nun, während sie hier auf dem Deck der »Halbrane« plauderten, hörte ich, daß von Dirk Peters die Rede war, und Hearne sagte gerade: »Sie dürfen dem Mestizen schon nicht böse sein, Maat, daß er Ihnen ausweicht und von Ihrem Dank nichts hören will. Wenn er auch nur ein grober Tölpel ist, so fehlt’s ihm doch nicht an Muth, das hat er ja bewiesen, als er Sie mit eigener Lebensgefahr aus schlimmster Lage rettete. Uebrigens vergessen Sie nicht, daß er zur Mannschaft des »Grampus-gehört hatte, zu der ja, wenn ich nicht irre, auch Ihr Bruder Ned…
– Das hat er gesagt, Hochbootsmann? rief ich unwillkürlich. Er hat vom »Grampus« gesprochen?
– Ja, vom »Grampus«.
– Auch von Ned Holt?…
– Gewiß, Herr Jeorling!
– Und was hat Martin Holt darauf geantwortet?
– Nun, er sagte: »Ach, mein armer Bruder! Ich weiß nicht einmal, unter welchen Umständen er umgekommen ist! War es bei einer Meuterei an Bord, so hat er als braver Mensch gewiß an der Seite des Kapitäns gestanden, und vielleicht ist er niedergemetzelt worden…
– Ging Hearne noch weiter hierauf ein, Hochbootsmann?
– Ja, er setzte wenigstens hinzu: »Das ist recht traurig für Sie, Holt!… Der Kapitän des »Grampus« wurde, soweit ich die Geschichte erfahren habe, mit zwei oder drei seiner Leute in einem Boote ausgesetzt, und wer weiß, ob Ihr Bruder nicht dabei war.
– Und weiter… weiter…
– Weiter, Herr Jeorling, setzte er hinzu: »Wollen Sie den Dirk Peters nicht um Mittheilungen darüber angehen? – Ja, antwortete Martin Holt, einmal habe ich ihn wohl darüber gefragt, nie aber einen Menschen bestürzter gesehen, als den Mestizen, als er mir erwiderte: »Ich weiß von nichts… weiß von gar nichts!« Seine Stimme klang dabei so tonlos,
Weitere Kostenlose Bücher