Die Eissphinx
Jager einziehen zu lassen. Danach hielt sich das Schiff sehr stetig im Wasser und tauchte kaum merklich aus und ein, sondern hob und senkte sich gleichmäßig mit den Wellen. Bei diesen Segelmanövern gab die neue Mannschaft Proben von Gewandtheit, die ihr das warme Lob des Hochbootsmanns einbrachten. Hurliguerly erkannte dabei, daß Hunt, so täppisch er auch aussah, allein drei Mann werth sei.
»Eine vorzügliche Erwerbung! sagte er zu mir.
– Ja, antwortete ich, und noch dazu eine, die sich zur rechten Zeit in letzter Stunde anbot.
– Ganz recht, Herr Jeorling!… Doch welch’ dicken Kopf er hat, dieser Hunt!
– Draußen im fernen Westen hab’ ich häufiger Amerikaner dieses Schlags getroffen, erwiderte ich, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn dieser hier Indianerblut in den Adern hätte.
– Na, meinte der Hochbootsmann, bei uns in Lancashire und in der Grafschaft Kent giebt’s so manche, die sich mit ihm messen könnten.
– Das glaub’ ich Ihnen, Hurliguerly… so unter anderm… Sie selbst!
– O… vielleicht!… Man gilt eben was man werth ist, Herr Jeorling!
– Plaudern Sie zuweilen mit Hunt? fragte ich.
– Sehr wenig, Herr Jeorling. Was sollte man auch aus einem Seeigel herausbringen, der sich abseits hält und gegen niemand ein Wort spricht?… Am Munde dazu fehlt’s ihm wahrlich nicht, der fast von Backbord bis Steuerbord hinüberreicht. Und mit so einem Werkzeuge sollte Hunt keine zusammenhängenden Sätze drechseln können?… Und dann… seine Hände!… Haben Sie seine Hände schon gesehen, Herr Jeorling? Nehmen Sie sich in Acht, wenn er damit die Ihrigen drücken wollte!… Ich glaube die Hälfte aller Finger würden Sie dabei los!
– Nun, Hochbootsmann, der Hunt scheint mir zum Glück kein Streithengst zu sein. Alles weist darauf hin, daß er ein ruhiger Mann ist, der seine Körperkraft nicht zu mißbrauchen sacht.
– Nein… außer wenn er sich vor ein Hißtau legt. Herr Gott, da fürcht’ ich immer, die ganze Blockrolle kommt mit herunter und die Raa hinterdrein.«
Genannter Hunt war, wenn man ihn ordentlich betrachtete, ein recht sonderbarer Kauz, der wohl eine gewisse Aufmerksamkeit verdiente. Wenn er sich gegen die Drehbalken des Spills stemmte oder, am Hintertheile stehend, die mächtige Hand auf die Griffe des Steuerrades legte, beobachtete ich ihn öfters nicht ohne eine gewisse Neugier.
Andererseits schien es mir, als ob auch seine Blicke mit deutlicher Zähigkeit an mir hafteten. Er mußte ja wissen, daß ich als – einziger – Passagier an Bord der Goëlette war und unter welchen Verhältnissen ich mich entschlossen hatte, die Gefahren dieser Reise zu theilen. Die Vermuthung, daß er, vielleicht jenseits der Insel Tsalal und nachdem wir die Schiffbrüchigen von der »Jane« gerettet hätten, noch ein anderes Ziel verfolgte, als wir, war doch kaum zulässig. Der Kapitän Len Guy wiederholte auch immer und immer:
»Unsere Aufgabe besteht darin, unsere Landsleute zu retten. Die Insel Tsalal ist der einzige Punkt, der uns anlockt, und Gott gebe, daß wir nicht noch tiefer in die öden Polargebiete einzudringen brauchen!«
Am 10. November gegen zwei Uhr nachmittags meldete ein Ruf des Wachpostens:
»Land voran an Steuerbord!«
Eine gut ausgeführte Beobachtung hatte 55°7’ der Breite und 41°13’ östlicher Länge ergeben.
Das Land konnte kein anderes sein, als die Insel Saint Pierre – nach britischer Bezeichnung Süd-Georgia, Neu-Georgia oder Insel des Königs Georg – die ihrer Lage nach zu den circumpolaren Gebieten gehört.
Schon vor Cook wurde sie 1675 von dem Franzosen Barbe entdeckt; doch ohne Rücksicht darauf, daß er der Zeit nach nur der Zweite war, gab ihr der berühmte englische Seefahrer die Reihe von Namen, die sie noch heute führt.
Die Goëlette steuerte nun auf diese Insel zu, deren schneebedeckte Höhen – gewaltige Massen von Urgebirge, wie Gneis und Thonschiefer – durch den gelblichen Nebel des Luftraumes bis zwölfhundert Toisen (2340 Meter) aufsteigen.
Der Kapitän Len Guy, wollte hier in der Bai Royale vierundzwanzig Stunden lang liegen bleiben, um frisches Wasser zu fassen, denn die Behälter im Laderaum erwärmten sich leicht zu sehr. Später, wenn die »Halbrane« im Treibeise segelte, war ja frisches, klares Süßwasser genug vorhanden.
Im Laufe des Nachmittags umschiffte die Goëlette das Cap Buller im Norden der Insel, ließ die Possessions-und die Cumberland-Bai an Steuerbord und drang nun in die Bai Royale
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