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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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werden und ähnelte mehr einem Felle.
    Was der Physiognomie dieses Mannes einen besonderen Charakter verlieh und von vornherein nicht gerade für ihn einnahm, das war der stechende Blick seiner kleinen Augen, sein fast lippenloser, sehr breiter Mund mit langen, unverletzten Zähnen, die nie von Skorbut ergriffen gewesen waren, was man bei den in hohen Breiten fahrenden Seeleuten doch sonst so häufig wahrnimmt.
    Seit drei Jahren wohnte Hunt auf den Falklands, zuerst in einem der Häfen an der Bai der Franzosen auf Soledad und zuletzt in Port Egmont. Wenig geselliger Natur, lebte er einsam von einer Pension – wofür er diese bezog, wußte freilich niemand. Nirgends in festen Diensten, betrieb er auf eigene Faust Fischfang, und das hätte ja zu seinem Lebensunterhalte genügt, ob er sich nun unmittelbar mit den Fischen ernährte oder seine Beute verkaufte.
    Die Auskunft, die der Kapitän über Hunt erhielt, konnte den Umständen nach nur sehr spärlich ausfallen, außer der über seine Lebensführung, seit er in Port Egmont wohnte. Der Mann schlug sich nicht mit anderen herum, er trank nicht, hatte wenigstens nie einen »Hieb« gehabt, dagegen wiederholt Proben einer wahrhaft herkulischen Kraft abgelegt. Von seiner Vergangenheit war nichts weiter bekannt, als daß er Seemann gewesen sei. Er hatte dem Kapitän Len Guy darüber eigentlich mehr als je einem andern mitgetheilt. Ueber alles weitere beobachtete er hartnäckiges Schweigen, ebenso über seine Familie, wie über den Ort seiner Geburt. Das machte ja nicht viel aus, wenn er sich nur als brauchbarer Matrose erwies.
    Alle Erkundigungen gaben keine Veranlassung, das Anerbieten Hunt’s zurückzuweisen. Ja, man hätte wünschen können, daß die anderen, in Port Egmont neu Angeworbenen ebenso einwurfsfrei gewesen wären. Hunt erhielt also günstige Antwort und richtete sich am Abend an Bord ein.
    Alles war zur Abreise fertig. Die »Halbrane« führte Lebensmittel für zwei Jahre mit, schwach eingesalzenes Fleisch, Gemüse verschiedener Art, sowie in Essig eingelegten Sellerie und Löffelkraut, die beide gegen skorbutische Erkrankungen mit Vortheil angewendet werden. Der Frachtraum barg Fäßchen mit Branntwein und Gin für den täglichen Verbrauch und einen großen Vorrath von Mehl und Schiffszwieback, der in den Lagerhäusern des Hafens eingekauft worden war.
    Auf Befehl des Gouverneurs waren der Goëlette auch Munition, Pulver, Geschosse, Flintenkugeln und Hagelschrot geliefert worden. Der Kapitän Len Guy hatte sogar Entergeräthschaften erworben, die von einem kürzlich an den Klippen vor der Bai gescheiterten Schiffe herrührten.
    Am Morgen des 27. gingen, unter dem Beisein der Inselbehörden, die Arbeiten zur Abfahrt mit bemerkenswerther Schnelligkeit vor sich. Man tauschte noch die letzten Glückwünsche, die letzten Abschiedsrufe aus. Dann tauchte der Anker vom Grunde auf und die Goëlette setzte sich in Gang.
    Ein mäßiger Wind wehte aus Nordwesten und mit ihren oberen und unteren Segeln glitt die »Halbrane« der Durchfahrt zu. Im freien Wasser angelangt, wendete sie nach Osten zur Umschiffung der Tamar Hart-Spitze am Ende der Meerenge, die beide Inseln trennt. Am Nachmittage segelte sie an Soledad vorüber, das sie an Backbord liegen ließ. Endlich verschwanden die Caps Dolphin und Pembroke hinter den Nebeln des Horizonts.
    Die Fahrt war nun angefangen. Gott allein konnte wissen, ob ein Erfolg den muthigen Männern beschieden sein werde, die menschliches Mitgefühl jetzt in die schrecklichen Gebiete des südlichen Polarmeeres führte.
Zehntes Capitel.
Der Anfang der Fahrt.
    Von der Gruppe der Falklands waren die »Tuba« und die »Lively« unter dem Befehl des Kapitän Biscoe am 27. September 1830 abgefahren, worauf sie die Sandwich-Gruppe (nicht zu verwechseln mit den Sandwich-Inseln oder Hawaii) anliefen und deren nördliche Spitze am 1. Januar umschifften. Sechs Wochen später freilich ging die »Lively«, wieder an den Falklands, verloren, doch hegen wir die Hoffnung, daß unserer Goëlette nicht ein gleiches Schicksal beschieden sei.
    Der Kapitän Len Guy ging also von demselben Punkte wie Biscoe aus, der bis zu den Sandwichs sechsunddreißig Tage gebraucht hatte. Schon in den ersten Tagen aber vom Treibeis jenseits des Polarkreises stark belästigt, hatte der englische Seefahrer bis zum fünfundvierzigsten Grade östlicher Länge nach Südosten hin zurückweichen müssen. Diesem Umstande verdankt man übrigens die Entdeckung des

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