Die Eistoten: Thriller (German Edition)
Merkwürdige Unfälle … und derjenige, der nicht an einen Unfall glaubte, der geriet ins Fadenkreuz der Lehmkos. Er wurde verdächtig, weil er glaubte, dass es sich um Rache handelte.«
»Und warum gingen die Morde dann nach dem Tod von Ina Zugl und Georg Zugl weiter?«, warf der Kommissar ein.
»Weil es kein hundertprozentiger Beweis war … Stephan Lehmko machte weiter, weil er noch immer glaubte, dass der Mörder seiner Mutter noch lebte, irgendwo da draußen.«
»Es gibt keine hundertprozentigen Beweise, schon gar nicht bei Verbrechen. Selbst Geständnisse sind nie vollständige Beweise.«
»Das hat Stephan getrieben, immer weiterzutöten.«
Der Kommissar hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ob es sich so abgespielt hat, das weiß nur Gott«, erklärte er.
»Vielleicht Gott, aber sicher wusste es Pfarrer Bez, und noch jemand wusste Bescheid«, sagte Alice.
Engelhardt wirkte müde. »Das werden wir niemals beweisen können.«
»Ich glaube nicht, dass Georg Zugl so viel Geld bezahlt hat«, sagte Alice, »um den Mörder seiner Tochter zu finden. Dass er Wegener und Gruber als Erben eingesetzt hat, war nicht ganz freiwillig.«
Alices Vater blickte seine Tochter stirnrunzelnd an. »Du glaubst, dass die beiden …?«
»Ja, ich glaube, dass Gruber und Wegener wussten, dass Georg Zugl der Unfallfahrer war, und sie erpressten ihn deshalb. Nur werden wir das nicht mehr beweisen können.«
»Und Großvater wusste davon?« Alices Vater schüttelte den Kopf. »Das hätte er niemals mitgemacht.«
»Er kannte wahrscheinlich nur die Geschichte, die Zugl erzählte… dass er Geld brauchte für die privaten Ermittlungen und so weiter.«
»Dann ist es möglich«, sagte ihr Vater, »dass der Journalist ebenfalls an der Erpressung beteiligt war. Er hatte von dem Unfall erfahren, als er über die Todesfälle am 23. Dezember recherchiert hatte.«
»Geld haben sie alle von Zugl bekommen. Was nun jeder Einzelne gewusst hat, das werden wir niemals mit Sicherheit sagen können. Nur eines weiß ich: Stephan Lehmko wird weitermachen, wenn ihn niemand stoppt.«
39.
Silvester im Krankenhaus. Eine Vorstufe zum Irrenhaus, dachte Alice. Mit dem Unterschied, dass im Krankenhaus die Türen automatisch aufgingen und im Irrenhaus automatisch zu. Warum hatte ihr Vater nichts davon gesagt, dass ihr Aufenthalt in der Klapse hinfällig geworden war? Warum sagte er ihr nicht: Alice, es tut mir leid, ich hätte dir glauben müssen? Du hattest recht … es war Mord … du spinnst nicht, wir hatten einen Serienmörder mitten unter uns. Ohne dich …
Übertreiben brauchte er es ja nicht, aber er hatte nichts erwähnt. Dies hieße, nach Silvester schickte er sie trotzdem in die Psychiatrie, zu Dr. Schreber … Aber so verrückt wie die Wirklichkeit war, konnte sie gar nicht sein.
Tom ging es schon besser, vor allem nachdem er den Privat-Internet-Zugang des Chefarztes geknackt hatte und nun fleißig surfen konnte.
Am frühen Abend glitt der schwarze Leichenwagen lautlos durch Hintereck. Auf seiner Ladefläche hinter den dunkelviolettenVorhängen lag die verkrümmte Leiche des Gruber. Der Gangerl hatte ihn noch im alten Jahr geholt. Sein Herz hatte ausgesetzt. In seiner Hand hielt er ein Sparbuch der Volksbank. Der Leichenwagen folgte der Talstraße, wie es vorher der Leichenwagen mit den zerschmetterten Überresten von Adibert Lehmko getan hatte. Die Bergwacht hatte den Leichnam des Lehrers am Fuße der senkrechten Wand geborgen. Der Anstieg war felsig und durch den vielen Schnee unzugänglich, so dass die Bergrettung und Engelhardt mit zwei trainierten Polizisten zu dem Felsen stiegen. Von Wegener war nichts zu sehen. Er hatte sich in seinem Haus verschanzt. Oberschrat hatte ein paar Blumen vor der geschlossenen Kirche niedergelegt. Er ging zu seinem klapprigen Mercedes, auf dessen Beifahrersitz seine Frau saß. Auf der Rückbank hockte Haas, der seiner Schwester die Hand auf die Schulter legte. Sie lächelte und meinte zu ihrem Mann, dass die Blumen schön wären. Er würde sich daran gewöhnen, dass sie vergaß, wer er war und wie er hieß. Der schwarze Leichenwagen beunruhigte sie nicht. Oberschrat hatte sie aus dem Heim geholt, nach Hause, in das Dorf, das ihr jeden Tag aufs Neue fremd sein würde. Er würde sie nicht mehr ins Heim geben.
In Hintereck läuteten zum ersten Mal keine Glocken. Als der Leichenwagen das Dorf verließ, hinterließ er nur eine weiße Stille.
Gegen Mitternacht – die ersten Böller donnerten
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