Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
während Elben wie Sandrilas oder der Fährtensucher Lirandil noch aus der Alten Zeit in Athranor stammen; sie sind vielleicht vom Leben auf die eine oder andere Weise gezeichnet, aber sie zeigen keinerlei Zeichen von Altersschwäche. Wie sollte da ein Heiler ausgerechnet bei Euch Altersschwäche erwarten?«
»Was für viele gilt, muss keineswegs für alle gelten«, erwiderte Eónatorn.
»Aus Eurem Aussehen schließe ich, dass die Heilerin Nathranwen ein Mittel gegen Euer Leiden gefunden hat.«
»Allerdings. Sie erkannte als Einzige, was mir tatsächlich fehlte und weshalb mein Elbenkörper von einem Leiden befallen war, das normalerweise nur kurzlebige Wesen aufweisen. Während sie mich jedoch untersuchte und behandelte, erkannte ich, welche Methoden sie anwandte und dass sie letztlich bei Ausübung ihrer Heilkunst auf dieselben Kräfte zurückgriff, derer sich auch die Magiergilde und der Schamanenorden bedient – nur dass sie bei den Heilern eben einem anderen Zweck zugeführt werden: Sie werden zur Milderung des Leidens Lebender eingesetzt, was mir schon nach kurzer Zeit als um so vieles sinnvoller erschien als eine Verbindung zu den Toten herzustellen.« Eónatorn lachte heiser und fügte hinzu: »Oder gar um die Namenlosen Götter anzurufen, die sich nicht mehr um uns kümmern, denen unser Schicksal egal geworden ist. Das Schamanentum hatte danach keinerlei Bedeutung mehr für mich, und ich ging bei der Heilerin Nathranwen in die Lehre, um in die Heilerzunft aufgenommen zu werden.«
Eine Weile schwiegen sie, dann erkundigte sich Siranodir:
»Sagt mir – ist Euer Leiden vielleicht noch einmal aufgetreten?
Sei es nun bei Euch selbst oder einem anderen Elben, den Ihr behandelt habt.«
Eónatorn schüttelte den Kopf. »Nein, das war nicht der Fall.
Weder das eine noch das andere.«
»Könnte es sein, dass wir uns nach und nach den Menschen angleichen?«, fragte Siranodir. »Man könnte fast den Eindruck gewinnen, wenn man verschiedene Fakten in Zusammenhang bringt. Da sind das bedenkliche Nachlassen der spirituellen Kraft unserer Magier und Schamanen, die zunehmende Hast, die unser Leben prägt, und die Angleichung unseres Zeitempfindens an die gehetzten Lebensgewohnheiten der Rhagar und Tagoräer. Wenn nun auch noch die Krankheiten der Kurzlebigen auf uns übergreifen…«
»Ich kann Euch diese Sorge nehmen«, sagte Eónatorn. »Es gibt keine Anzeichen dafür, dass es sich um ein ansteckendes Leiden handelt oder dass es in ähnlicher Weise grassieren könnte wie vor der Ankunft der Elben im Zwischenland der Lebensüberdruss.«
»Das beruhigt mich«, gestand Siranodir.
»In anderer Hinsicht muss ich Euch allerdings eine weniger erfreuliche Mitteilung machen, werter Siranodir.«
Der Krieger mit den zwei Schwertern betastete vorsichtig sein Ohr. »Ich ahne, wovon Ihr sprecht«, murmelte er.
»Das Ohr hat sich entzündet«, erklärte Eónatorn. »Es könnte sein, dass Euer Gehör für den Rest Eurer Tage gedämpft sein wird und nicht mehr die volle Schärfe hat, wie es bei einem Elben üblich wäre.«
»Ich werde also nahezu taub durch die Welt laufen – so wie ein Mensch.«
»Nur das verletzte Ohr ist betroffen, aber die Schwächung des einen Ohrs wird die Funktion des Gehörsinns insgesamt beeinträchtigen. Wärt Ihr ein Mensch, würde man Euch für Euer weiterhin feines Gehör bewundern, und Ihr würdet unter ihnen vielleicht ein talentierter Musiker werden. Aber gemessen an dem, was Ihr in Eurem bisherigen Elbenleben gewohnt wart, werdet Ihr Euch taub und eingeschränkt vorkommen.«
Siranodir atmete tief durch und fühlte sich niedergeschlagen.
Der Gedanke, in seiner Wahrnehmung fortan derart eingeschränkt zu sein, missfiel ihm sehr.
»Gibt es keine Möglichkeit der Heilung?«, fragte er, und leichte Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit, auch wenn er sich alle Mühe gab, dieses Gefühl möglichst nicht nach außen dringen zu lassen. Schließlich befanden sie sich auf einem Feldzug, der die Grenzen des Elbenreichs auf lange Zeit sichern und eine tödliche Gefahr abwenden sollte. Da war Tatkraft und Entschlossenheit gefragt und keineswegs das Hadern mit dem eigenen, offenbar unabwendbaren Schicksal.
»Es gibt allenfalls den Weg des Geistes«, antwortete Eónatorn.
»So geht ihn, wenn keine Tinktur mehr helfen mag!«
»Nein, Ihr missversteht mich, werter Siranodir.«
»So?«
»Ich sprach nicht von den Kräften meines Geistes. Mit denen kann ich nichts mehr für Euch
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