Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
den vordringlichsten Aufgaben gehörte.
Keandir sah Herzog Isidorn einen Augenblick mit durchdringendem Blick an. »Wir haben Eldran gesehen«, berichtete er. »Eine ganze Schar geisterhafter Krieger, überstrahlt von einem Leuchten, wie es typisch für die Gefilde von Eldrana und all jene Geschöpfe sein mag, die ins Reich der Jenseitigen Verklärung eingegangen sind.«
Herzog Isidor reagierte sehr ungläubig. Es wurde indessen alles für den Aufbruch fertig gemacht. Der Befehl des Königs war klar: Er wollte zunächst weiter entlang der Grenze nach Osten ziehen und sich dann schließlich nach Süden, in das gefürchtete Wilderland, begeben, aus dem bisher kaum jemand zurückgekehrt war.
Man wartete jedoch die Rückkehrer der restlichen Spähtrupps ab, die noch in den Wäldern unterwegs waren. Und selbstverständlich hoffte man auch darauf, dass Botschafter Sokranos und die Gruppe Elbenkrieger, die ihn begleitenden, wieder zum Heer stießen – möglichst mit einer großen Zentauren-Kavallerie im Gefolge zur Unterstützung der Elben.
Aber Sokranos und der Elbentrupp unter dem Kommando von Mirgamir tauchten nicht wieder auf, während die noch vermissten Kundschafter-Gruppen nach und nach zurückkehrten.
Herzog Isidorn hatte Keandirs Bemerkung über eine angebliche Begegnung mit leibhaftigen Eldran zunächst sehr skeptisch gegenübergestanden. Auch wenn es der König selbst war, der davon berichtete und es für Isidorn ein Gebot des Respekts ihm gegenüber war, dessen Worte nicht öffentlich in Zweifel zu ziehen, so war dem Herzog von Nordbergen doch deutlich anzumerken gewesen, dass ihn diese Geschichte außerordentlich befremdete. Als allerdings einige der anderen Kundschafter-Gruppen über ganz ähnliche Erlebnisse sprachen, begann seine kritische Haltung aufzuweichen.
»Man mag es mir nachsehen, dass ich schon noch etwas genauer nachfrage, wenn von einer Erscheinung der Eldran in den Gefilden der Lebenden die Rede ist«, entschuldigte er seine anfängliche Skepsis. »Schließlich wird ja wohl niemand behaupten mögen, dass es sich um ein alltägliches Ereignis handelt, wenn die Ahnen lebenden Elben als lichtumflorte Geisterkrieger erscheinen.«
»Meiner Meinung nach sollten wir lieber einmal darüber nachdenken, was die Eldran dazu veranlasst haben könnte, Eldrana zu verlassen«, tat Siranodir mit den zwei Schwertern kund. Die Zeit bis zum endgültigen Aufbruch nutzte er, seine beiden Klingen »Hauen« und »Stechen« mit einer besonderen Reinigungstinktur zu behandeln, die man hernach abwaschen musste, allerdings ohne dabei Wasser zu benutzen. Siranodir hatte seine ganz eigene Methode der Metallpflege entwickelt, und viele der jüngeren Krieger blickten zu ihm hin und sahen sich an, was er tat, um später in diesem Punkt ebenso große Perfektion zu erlangen.
»Und?«, fragte Keandir. »Wie spekuliert Ihr in diesem Punkt?«
»Die Trorks haben zwar ungeheure Angst vor ihnen, aber wir haben keine Trorks gefunden, die von ihnen erschlagen worden wären«, erklärte Siranodir. »Also gibt es keinen Beweis dafür, dass es überhaupt schon einmal zu einem Kampf zwischen einem Eldran und einem Trork gekommen ist. Ihre Angst muss eine andere Ursache haben.«
»Jedenfalls sind die Trorks wohl kaum von den blitzartigen Lichterscheinungen beeindruckt gewesen, denn die konnten sie aufgrund ihrer Augenlosigkeit nicht sehen«, gab Thamandor zu bedenken.
Siranodir nickte. »Vollkommen richtig. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eldran wirklich der von ihnen gefürchtete Feind im Hintergrund sind, der sie – so wie wir annehmen – aus Wilderland hinaus und nach Norden getrieben hat.«
»Die Eldran würden wissen, dass dies nicht im Interesse der Elbenheit liegt«, stimmte Keandir zu.
»Der Punkt, auf den ich hinaus will, ist noch ein anderer«, erklärte Siranodir mit einem Tonfall, der von tiefem Ernst war.
»Es ist meiner Ansicht nach unmöglich, dass die Eldran einfach so und aus freien Stücken die Welt der Lebenden aufsuchen. Das ist noch nie zuvor geschehen, es sei denn, sie wollten lebende Elben warnen oder dergleichen. Aber davon kann ja wohl auch keine Rede sein – oder würdet Ihr mir da widersprechen, mein König?«
Keandir zuckte mit den Schultern. »Sie versuchten mir etwas zu sagen – zumindest habe ich das so interpretiert –, aber leider konnte ich sie nicht verstehen.«
»Wie auch immer«, fuhr Siranodir fort. »Ich denke, dass sie gerufen wurden. Und da stellt sich natürlich die
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