Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Meerlands!«
»Dann war es Asagorns Streitmacht«, murmelte Isidorn fast tonlos und wurde bleich. Der letzte Zweifel war nun beseitigt: Das Heer, mit dem der Herzog von Meerland dem belagerten Turandir hatte zu Hilfe kommen wollen, war vernichtet worden.
Isidorn barg einen Augenblick lang das Gesicht in den Händen. Dann fasste er sich. »Worauf warten wir noch, mein König?«, wandte er sich an Keandir.
»Eskidor der Hornbläser soll das Signal zum Aufbruch geben!«, befahl Keandir mit finsterer Entschlossenheit. »Und Ihr, Adrasir, werdet uns den Weg weisen!«
»Ja«, murmelte dieser – matt und tonlos.
Isidorn schwang sich in den Sattel seines Pferdes. Er riss den
»Wächter Nordbergens« aus der Scheide und reckte die in der Sonne blinkende Klinge in den Himmel. »Vorwärts!«, rief er.
Gleichzeitig schmetterte Eskidor sein Hornsignal zum Aufbruch.
Isidorn erreichte zusammen mit Adrasir und einer Vorhut von etwa zwanzig Elbenkriegern als Erstes die Schlucht, in der sich das grausige Geschehen abgespielt hatte. Von den Trorks, die die Leichen gefleddert und Adrasirs Spähtrupp angegriffen hatten, war nichts mehr zu sehen. Sie hatten sich davongemacht, den Spuren nach, die Adrasir finden konnte, in Richtung Südosten, nach Wilderland.
Als König Keandir wenig später eintraf, suchte Herzog Isidorn bereits nach seinem Sohn, den er tot wähnte. Jeden Leichnam sah er sich an. Manche der Elbengesichter waren derart zerschlagen, dass man sie kaum noch erkennen konnte.
Aber da der größte Teil der Elben Meerlands aus Nordbergen stammte und ihre Zahl insgesamt nicht allzu hoch war, kannte Herzog Isidorn fast jeden der Gefallenen persönlich.
Seine Getreuen halfen ihm bei der Suche, doch der Herzog von Meerland befand sich nicht unter den Toten.
Adrasir entdeckte hingegen Spuren von Pferden, Elben und Trorks, die sich seiner Ansicht nach so interpretieren ließen, dass die Trorks Gefangene gemacht und sie verschleppt hatten.
»Und wozu die Pferde?«, fragte Keandir. »Nach allem, was wir wissen, benutzen die Trorks keine Reittiere.«
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Adrasir. »Entweder sie benutzen die Pferde als Nahrungsmittel für sich und ihre Gefangenen während des Weges oder als Reittiere für die verschleppten Elbenkrieger. Trorks können sehr viel schneller laufen als Elben, und möglicherweise haben sie wenig Lust, auf ihre relativ lahmfüßigen Gefangenen zu warten. Für diese Variante spricht, dass schon nach ein paar hundert Schritten nur noch Spuren von Pferden und Trorks zu sehen sind; die Elbentritte im Boden verschwinden, dafür sind die Hufabdrücke der Pferde deutlich tiefer.«
»Das bedeutet, sie wurden belastet«, schloss Keandir.
Adrasir bestätigte dies. »So muss es sein. Allerdings haben sie auch offenbar nur leicht oder gar nicht beladene Pferde mitgenommen, sodass ihnen die Tiere vielleicht dennoch auch als Nahrung dienen.«
»Oder sie haben damit die Waffen abtransportiert«, mischte sich Thamandor in das Gespräch ein. »Die meisten Toten wurden nämlich unbewaffnet zurückgelassen.«
»Elbenstahl in den Händen der Trorks«, knurrte Siranodir mit den zwei Schwertern. »Das klingt nicht gut…«
»Auch in dieser Hinsicht scheint bei den Trorks eine Wandlung eingetreten zu sein«, meinte Isidorn, der sich inzwischen einigermaßen gefasst hatte. »Die Zentauren haben uns nie davon berichtet, dass die Trorks nach ihren Überfällen die Waffen ihrer Opfer mitgenommen hätten. Ansonsten müssten diese augenlosen Kreaturen auch schon über ein ganzes Arsenal erbeuteter Metallwaffen verfügen.«
»Wenn man bedenkt, dass die Trorks die Zentauren mit ihren Überfällen wahrscheinlich schon Jahrtausende lang heimsuchen, habt Ihr vollkommen recht«, meinte Siranodir.
Isidorn nahm den König beiseite. »Kümmert Ihr Euch um die Bestattung der Toten, mein König. Das sind wir den Gefallenen schuldig. Aber ich könnte in der Zwischenzeit schon mit einem Teil der Truppen die Verfolgung aufnehmen.«
Keandir konnte diesen Vorschlag des Herzogs von Nordbergen gut verstehen. Die Ungewissheit, was mit seinem Sohn geschehen war, musste ihn innerlich schier zerreißen.
Der Herrscher der Elben konnte sich sehr gut vorstellen, was in Isidorn vorging. Aber er wusste auch, dass gerade in solchen Situationen kühler Kopf bewahrt werden musste. So schwer das im Einzelfall auch fallen mochte.
Daher lehnte er den Vorschlag des Herzogs entschieden ab.
»Nein, ich werde das Heer nicht teilen.
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