Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Allgemeinen und hat somit durchaus Auswirkungen auf die Politik des gesamten Reiches. Konsultiert mich in Zukunft, Branagorn, bevor Ihr demnächst derart weitreichende Entscheidungen trefft. Sonst bin ich in der Tat gezwungen, einen anderen an Eure Stelle zu setzen – was ich nicht möchte, denn ich bin von Euren Fähigkeiten und Eurer Treue überzeugt.«
»Ja, Herr«, murmelte Branagorn, nachdem er Keandir einige Herzschläge lang schweigend angeschaut hatte.
Sowohl dem König als auch dem Herzog war bewusst, dass sie aufeinander angewiesen waren. Die Sicherheit Elbaras war nur durch die Hilfe Elbianas zu gewährleisten. Zudem verfügte König Keandir nur über sehr begrenzte Machtmittel, um den Herzog mit Gewalt abzusetzen, falls dieser sich einer derartigen Anweisung widersetzte.
»So berichtet mir mehr über Eure Maßnahme, wenn ich sie nachträglich gutheißen soll!«, forderte ihn Keandir auf.
Branagorn räusperte sich, dann straffte er die Schultern und begann: »Die Rhagar, die wir bei uns angesiedelt haben, lernen von uns. Es ist natürlich sehr mühsam, weil es ihnen ihr kurzes Leben nicht gestattet, auf irgendeinem Gebiet tatsächlich Perfektion zu erlangen. Aber sie haben die Absicht, ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben, und ich bin überzeugt davon, dass sich dadurch ihre Lebensweise über kurz oder lang der elbischen Lebensweise angleicht.«
»Ich hoffe, dass wir diesen Schritt nicht eines Tages bereuen«, meinte Prinz Sandrilas. »Aber ich bin es ja gewohnt, den Schwarzseher abzugeben.«
»Es gibt etwas anderes, worüber ich mit Euch gern sprechen würde«, wechselte Keandir das Thema. »Ich weiß, dass man nur hinter vorgehaltener Hand darüber redet und schon gar nicht in Beisein des Königs. Aber es ist nun mal eine Tatsache, dass der Verlust der Elbensteine sehr schwer auf unserem Reich lastet. Dabei geht es in erster Linie gar nicht um die magischen Eigenschaften dieser Artefakte, sondern um ihre Bedeutung als Zeichen unserer Herrschaft. Dieses Problem bekümmert mich bis tief in meine Seele seit der Schlacht an der Aratanischen Mauer, und ich habe mich nun entschlossen, etwas zu unternehmen, um meinetwillen ebenso wie um des Reichs der Elben willen.« Keandir blickte in die Runde. Die Aufmerksamkeit aller war ihm gewiss. Schließlich fuhr er fort:
»Ich werde in Kürze zu einer Reise aufbrechen, um die Steine wiederzubeschaffen. Ich weiß, dass es zahllose Hinweise auf ihren Verbleib gibt und die meisten davon wohl nur Legenden und Gerüchte sind. Aber mir ist bewusst geworden, dass ich nur zu meiner alten Stärke als Elbenkönig und Erschaffer des Schicksals zurückfinden kann, wenn ich diese Steine dorthin zurückbringe, wohin sie gehören – nach Elbenhaven nämlich!«
»Wann gedenkt Ihr aufzubrechen?«, fragte Prinz Sandrilas, der in diese Pläne bisher offenbar nicht eingeweiht gewesen war.
»Oh, zunächst muss ich die Rückkehr Lirandils des Fährtensuchers abwarten, denn der ist in meinem Auftrag in den Ländern der Rhagar unterwegs, um nach entsprechenden Hinweisen auf die Steine zu suchen. Wir haben keinen festen Zeitpunkt für seine Rückkehr vereinbart, und von seinen letzten Reisen hat keine unter zwanzig Jahren gedauert, sodass ich wohl noch etwas Zeit haben werde, um mich auf dieses Unternehmen vorzubereiten.«
»So wie ich Eure Worte verstehe, steht die Route, die Ihr zu nehmen beabsichtigt, noch nicht fest«, sagte Herzog Branagorn. »Aber falls Ihr einen Aufenthalt auf Burg Candor in Betracht zieht, so seid Ihr dort herzlich willkommen.«
Keandir nickte leicht. »Eure Gastfreundschaft weiß ich wohl zu schätzen«, erwiderte er.
3
BRÜDER IN LICHT UND DUNKELHEIT
Andir, der ältere der beiden Zwillingssöhne von König Keandir und Königin Ruwen, stand hoch oben, an den Zinnen des Westturms der inneren Burg von Elbenhaven. Er blickte hinaus auf die schäumende See. Darüber spannte sich eine Wolkendecke in allen Grauschattierungen von Firmament zu Firmament, und nur an wenigen Stellen war sie aufgerissen und ließ das Sonnenlicht mit gleißendem Schein zu Boden strahlen. Eine dieser Öffnungen, die das Licht zur Erde ließen, befand sich genau über dem Westturm, sodass Andir in einen hellen Lichtschein gehüllt war.
Dann aber schloss sich das Wolkenloch, und ein Schatten stürzte sich über die gesamte innere Burg von Elbenhaven.
Etwas veranlasste Andir, sich umzudrehen. Er war der größte derzeit lebende Magier des Elbenvolks, und seine Werke
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