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Die Elben - 02 - Die Könige der Elben

Die Elben - 02 - Die Könige der Elben

Titel: Die Elben - 02 - Die Könige der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Experimente innerhalb Elbenhavens durchzuführen. Seinerzeit waren die Bürger der Stadt und die Bewohner der Burg sehr aufgebracht gewesen, und König Keandir hatte keine andere Wahl gehabt, als dem Drängen des Volkes in dieser Hinsicht nachzugeben. Inzwischen war die Erinnerung daran zur Anekdote geworden.
    Und dabei waren noch nicht einmal anderthalb Jahrhunderte vergangen, rief sich Keandir ins Gedächtnis. Wie war es möglich, dass sie als Elben so schnell vergaßen? Vielleicht glichen sie sich dem Zeitempfinden der Rhagar an, was am häufigen Umgang mit den Barbaren vor der Schlacht an der Aratanischen Mauer liegen mochte.
    Keandir atmete tief durch. Er nahm seinen Becher, führte ihn zum Mund und trank ihn leer. Bei dem Inhalt handelte es sich um einen Sud, in dem ätherische Ingredienzien zu einem gleichermaßen aromatischen wie für seine Heilkraft bekannten Gebräu vermengt waren. Von einer Medizin zu sprechen, war
    – zumindest, wenn man die hohen elbischen Maßstäbe anlegte
    – zweifellos eine Übertreibung. Aber die heilende Wirkung dieses Gebräus, das die zur Hofheilerin ernannte Nathranwen dem König zubereitet hatte, war unverkennbar.
    »Ehe wir uns in allgemeinen Erinnerungen ergehen«, ergriff wieder Branagorn das Wort, »sollten wir den Vorschlag des Prinzen ernsthaft erörtern. Bislang haben wir Frieden, und inzwischen ist an der Aratanischen Mauer sogar ein reger Handel entstanden.«
    »Ich spreche von einem Zeitraum, der die nächsten zweihundert Jahre umfasst«, konkretisierte Prinz Sandrilas,
    »nicht von heute oder morgen.«
    »Das ist mir durchaus bewusst«, sagte Branagorn. »Aber ich glaube, dass die von Euch angenommenen Voraussetzungen falsch sind.«
    »So?«
    »Ihr geht davon aus, dass man die Rhagar nur mit Gewalt gefügig machen kann.«
    Prinz Sandrilas hob die Augenbrauen und beugte sich leicht vor. »Ist das denn nicht der Fall, werter Herzog Branagorn?
    Wenden die Barbaren nicht andauernd Gewalt gegeneinander an, weil sie genau wissen, dass dies die effektivste Art ist, ihre eigene Rasse zu beeinflussen? Töten sie nicht mit Vorliebe ihre eigenen Artgenossen, um Angst und Schrecken zu verbreiten und derart ihre Herrschaft zu sichern?«
    »Das mag alles sein«, gestand Branagorn zu. »Aber…«
    »Und doch sollen wir ihnen gegenüber edelmütig sein? Sie haben den Respekt vor unserer Überlegenheit verloren. Wir sind für sie schon lange keine Lichtgötter mehr, sondern Konkurrenten um dasselbe Land. Konkurrenten, deren Wissen es zu stehlen gilt, damit man es gegen seine Urheber verwenden kann. Konkurrenten, denen man nacheifert, um sie eines Tages überflügeln und vernichten zu können.
    Die Zeit arbeitet gegen uns, Herzog Branagorn. Je länger wir warten, desto zahlreicher und damit stärker werden sie und desto schwächer im Vergleich dazu wir. Daran ändern auch die neuen Waffen von Meister Thamandor nichts Grundsätzliches.«
    »Und doch herrscht an unserer Grenze Frieden«, gab Branagorn zu bedenken.
    »Ihr wollt doch jetzt nicht etwa behaupten, die Rhagar wären in Wahrheit ein friedfertiges Volk?«, entgegnete Sandrilas.
    »Sollte jemand an ihrer Kriegslüsternheit und Grausamkeit Zweifel hegen, braucht er sich nur anzusehen, wie sie fortwährend mit ihresgleichen umgehen. Sie mögen sich in der kurzen Zeitspanne seit der Schlacht an der Aratanischen Mauer ja in anderen Bereichen erstaunlich weiterentwickelt haben, aber was diesen Punkt angeht, hat sich nichts geändert.«
    »Wir haben einen friedlichen Austausch von Waren und Dienstleistungen mit den in der Gegend um Cadd siedelnden Menschen begonnen«, berichtete Branagorn. »Und siehe da: Es funktioniert! In Zukunft denke ich an ein Experiment.«
    Branagorn ließ den Blick schweifen und legte eine rhetorische Pause ein, um seinen Worten stärkeres Gewicht zu verleihen.
    Keandir musste unwillkürlich lächeln, als er dies merkte.
    Obwohl ihn die Anwesenheit Branagorns ansonsten beunruhigte, weil sie ihn stets an die Finsternis in seiner eigenen Seele gemahnte, in diesem Augenblick amüsierte ihn der Herzog. Zweifellos hatte Branagorn dazugelernt, dachte der König. Er wusste inzwischen offenbar genau, wie sich ein Landesherr zu verhalten hatte und wie er vor allem seine Worte so zur Geltung brachte, dass man ihm zuhörte.
    »Ich will es offen gestehen«, fuhr Branagorn fort, dessen Augen Keandir fixierten, »ich habe mit diesem Experiment bereits begonnen.« Die Reaktion des Königs war wichtig für ihn, denn

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