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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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Rom. Der Junge wußte, daß Rom nördlich von seiner Vaterstadt lag, jenseits des Meeres, doch das Heer zog auf dem Landwege gen Westen.
    Der Vater ließ mich Rom ewige Feindschaft schwören, aber anschließend reisen wir ans andere Ende der Welt, wie merkwürdig, dachte Hannibal. Sein einziger Trost war der Gedanke an die bevorstehenden Kämpfe mit den iberischen Riesen und Drachen. 
    Aber auch in dieser Beziehung wurde er enttäuscht. 
    In Iberien lebten überhaupt keine Drachen. Anscheinend gab es dort nicht einmal Löwen, deren Gebrüll er in Afrika fast in jeder Nacht gehört hatte. Nachdem das Heer die schmale Meerenge von Gibraltar zwischen Afrika und Iberien hinter sich gelassen hatte, herrschte nachts nur noch tiefe Stille. Selbst die Felsen schliefen, vom Mondlicht erhellt, und das Meer sang ihnen mit dem gleichmäßigen Rauschen seiner Brandung ein Wiegenlied.
    In Iberien gab es auch keine wilden Elefanten, die dem Heer in Afrika scharenweise begegnet waren. Bei diesem Anblick hatte Hannibal einmal einen iberischen Söldner gefragt, welches das gefährlichste Tier in seinem Vaterland sei.
    „Das Kaninchen!" war die Antwort gewesen.
    Das hatte der Söldner durchaus ernst gemeint, wie Hannibal später feststellte. Die kleinen Tiere, die so putzig mit dem langen Schnurrbart wackelten, vernichteten Saaten, Obstbäume und Beerensträucher; sie unterwühlten sogar Städte.
    In Iberien gab es auch keine Riesen, mit denen der Junge gar zu gern gekämpft hätte. Hier wohnten nur Hirten und Ackerbauern. Sie trugen Umhänge aus grober Wolle und Filzhüte mit hochgeschlagenen Rändern und lebten in Stämmen zusammen. Es gab dermaßen viele Stämme, daß sich kein Mensch ihre seltsamen Namen einprägen konnte: Oretaner, Lusitaner, Kantabrer und viele andere mehr. Deshalb wurden die Bewohner dieses Landes von Ausländern samt und sonders als Iberer bezeichnet. 
    Zu Hannibal waren die Iberer sehr freundlich. Als er einmal heimlich das Lager verlassen und sich im Gebirge verirrt hatte, traf er einen großen Iberer, einen Hirten mit langem Haar. Der schnalzte lustig mit der Zunge, um den erschrockenen Jungen zu beruhigen, nahm ihn dann auf den Rücken und brachte ihn ins karthagische Lager zurück. Dafür schenkte Hamilkar ihm eine Handvoll Münzen, für die er sich eine ganze Schafherde hätte kaufen können. Doch statt sich zu bedanken, spuckte er aus und warf dem karthagischen Feldherrn das Geld vor die Füße. Hamilkar sagte nichts dazu, er runzelte nur die Stirn. Doch nachdem der Hirt fort war, schalt er ihn als undankbar.
    „Die Iberer sind eben Barbaren!" setzte er Hannibal auseinander. „Sie haben kein richtiges Heer und kämpfen nur in kleinen Trupps. Hartnäckig weigern sie sich, unsere Herrschaft anzuerkennen und uns Tribut zu zahlen. Sie verstecken sich hinterlistig in den Bergen und schleudern aus unerreichbaren Höhen Felsblöcke auf unsere nichtsahnenden Krieger. Wiederholt ist es auch schon geschehen, daß sich ein Iberer nachts heimlich in unser Lager geschlichen und den schlafenden Feldherrn getötet hat. Anschließend macht er sich dann unbemerkt aus dem Staube. Und wenn es unseren Wachen doch einmal gelingt, einen Iberer zu fangen, dann kann man ihm selbst durch grausame Foltern nicht den Namen seiner Helfershelfer entreißen. Wenn den Iberern der Leib mit Flammen versengt oder von Eisenhaken zerrissen wird, lächeln sie, als fühlten sie keinen Schmerz. Und wenn man sie ans Kreuz nagelt, singen sie Siegeslieder. Es sind eben Wilde! Doch ihre Pferde - die sind des höchsten Lobes würdig. Sie sind kleiner als unsere edlen numidischen Rennpferde. An Eleganz und Schnelligkeit des Laufes können sie es nicht mit ihnen aufnehmen, aber sie sind viel kräftiger und ausdauernder. Mit schweren Lasten beladen, legen sie lange Tagesmärsche zurück. Sie fürchten sich nicht vor brausenden Bergflüssen, schmalen Felspfaden und gähnenden Abgründen. Während der Schlacht springen die iberischen Reiter häufig aus dem Sattel und lassen ihre Pferde unangekoppelt laufen oder binden sie an einen Pflock, den sie flüchtig in die Erde gebohrt haben. Dann bleiben die Pferde gelassen stehen, ohne sich vom Schlachtenlärm stören zu lassen. Häufig nimmt der Reiter noch einen Fußsoldaten mit aufs Pferd, auch das macht den Tieren nichts aus." Hamilkar sandte die iberischen Pferde zu Tausenden nach Karthago. Zum Pflügen, zum Lastentragen, eben zu allem, was Kraft und Ausdauer erfordert, wurden die Knirpse, wie die

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