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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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Karthager sie nannten, verwendet.
     
     
Der neue Lehrer
     
    „Königssöhne erben die Macht von ihren Vätern", sagte Hamilkar zu seinem Sohn. „Doch mein Amt wird eines Tages derjenige übernehmen, der ihm am würdigsten ist. Das könnte zum Beispiel dein Bruder Magon oder auch dein Reitlehrer Magarbal sein."
    Hannibal kniff beleidigt die Lippen zusammen. „Nein, Magon soll nicht den Oberbefehl über das Heer erhalten. Er ist jünger als ich und hat noch keinen Unterricht im Reiten und im Bogenschießen. Dann wäre es besser, daß Magarbal dich ersetzt."
    „Die jüngeren Brüder zu übertreffen ist keine Kunst. Du mußt alle überflügeln. Du mußt lernen, besser zu reiten und besser mit Schwert und Wurfspieß umzugehen als jeder andere. Doch das genügt noch nicht. Du mußt auch am meisten wissen."

    Eines Tages brachte ihm der Vater einen kleinen Mann, der kaum mit ihm Schritt halten konnte. Der Mann hatte einen Schädel, kahl wie ein Straußenei, und abstehende Ohren. An seinem dünnen Hals baumelte ein flacher Gegenstand an einer schwarzen Schnur.
    „So siehst du also aus, Hannibal!" rief der Unbekannte und musterte interessiert den Jungen, der sich auf seinen Wurfspieß stützte. 
    „Zeig uns deine Kunst!" befahl Hamilkar.
    Hannibal holte aus und traf mit seinem Spieß den zwanzig Schritt entfernten Holzpfahl.
    „Tüchtig!" lobte Hamilkar. „Und nun lege die Waffe hin und komm näher. Mach dich mit deinem neuen Lehrer bekannt. Er heißt Sosylos." 
    „Ein neuer Lehrer?" fragte Hannibal erstaunt. „Worin soll er mich unterrichten? Ich habe schon einen Fechtlehrer, einen Reitlehrer und einen Lehrer für das Bogenschießen. Ach, ich weiß. Du bist ein Schleuderer." Hannibal tippte auf die schwarze Schnur, die Sosylos um den Hals trug.
    Hamilkar und Sosylos lachten.
    „Mein Sohn", sagte Hamilkar entschuldigend, „ist unter Kriegern aufgewachsen; er unterscheidet die Menschen nach ihrer Bewaffnung und hält dein Schreibgerät für eine Wurfschleuder."
    Er wandte sich seinem Sohn zu. Das Lachen war aus seinem Gesicht gewichen. „Du irrst, Hannibal, Sosylos ist kein Schleuderer. Er wird dir die griechische Sprache beibringen."
    „Die Griechen sind unsere Feinde, ich brauche ihre Sprache nicht!" brummte der Junge mit gesenktem Kopf.
    „Wer hat dir das gesagt?" forschte Hamilkar unmutig.
    „Du selbst. Erinnere dich, du erzähltest mir von den Kriegen, die unsere Vaterstadt mit den Griechen führte, und von dem in Sizilien lebenden Griechen Agathokles, der Karthago fast erobert hätte."
    „Aber das liegt doch schon hundert Jahre zurück!" rief Hamilkar. „Und jetzt gehören die sizilianischen Städte schon lange zu Rom. Auch das schöne Tarent, das einst gegen die Römer kämpfte, stöhnt unter dem Joch Roms. In dieser Stadt lebte jahrelang dein neuer Lehrer, bis er von den Römern vertrieben wurde."
    Hannibal betrachtete den Griechen, der demnach ebenso ein Feind der Römer war wie der Vater, mit neuen Augen.
    „Ich kann dir sagen", fuhr Hamilkar fort, „daß die Griechen die Römer ebenso hassen wie wir. Doch selbst wenn sie unsere Feinde wären, müßtest du ihre Sprache lernen. Wer die Sprache des Feindes versteht, schlägt ihm eine Waffe aus der Hand."
    „Ich werde dich in meiner Muttersprache unterrichten, Knabe", sagte Sosylos. „Du wirst Homer und den großen Aristoteles kennenlernen und..."
    „Was haben sie erobert?" fiel Hannibal ihm ins Wort. 
    Sosylos lächelte.
    „Homer hat mit seinen wohllautenden Gedichten die Welt erobert", sagte er dann. „Und Aristoteles war ein Gelehrter, der sogar Alexander von Makedonien zu seinen Schülern zählte."
    „Von Alexander habe ich schon gehört. Er eroberte Indien, wo die Elefanten leben." 
    „Alexander vollbrachte noch viele andere staunenswerte Heldentaten. Er war ein großer Feldherr."
    „Gut, Sosylos, ich werde deine Sprache erlernen", willigte Hannibal ein. „Aber du mußt mich auch alles lehren, was Aristoteles dem Alexander beibrachte. Ich will auch ein großer Feldherr werden." 
    „Es wird genügen, wenn du deinem Vater nacheiferst und wie er..." 
    „Ihr werdet sicherlich gut miteinander auskommen", unterbrach ihn Hamilkar, der Schmeicheleien haßte.
    Sosylos kannte unzählige unterhaltsame Geschichten von kriegerischen Seefahrern und ihren Abenteuern in fremden Ländern. Hannibal wunderte sich, daß sie alle in Sosylos' Kopf Platz fanden. Aber der neue Lehrer hatte die merkwürdige Angewohnheit, seine Erzählung an

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