Die Elementare von Calderon
standen betörend schöne Statuen. Die Häuser mit ihren eleganten Linien und hohen Bögen schienen einen regelrechten Wettstreit darum zu führen, welches am kunstvollsten gebaut und am eindrucksvollsten beleuchtet war. Fontänen glitzerten und funkelten, zum Teil von unten erhellt, so dass sie sich violett oder smaragdgrün aus der Dunkelheit abhoben wie flüssige Flammen. Um die Häuser und an den Straßen wuchsen Bäume, die so lebendig und prächtig gestaltet waren wie die Bauwerke und Straßen. Auch sie schimmerten in buntem Licht, und ihr Laub färbte sich bereits in den unzähligen Tönen des Herbstes.
Der Klang einer Glocke, welche die Stunde verkündete, drang zur sinkenden Sänfte empor. Fidelias hörte Hufschlag auf den Pflastersteinen unter sich und wüste Gesänge aus einer Schenke. Von einem Gartenfest trieb Musik zu ihnen empor, als die Sänfte darüber hinwegglitt; ein Saiteninstrument begleitete eine süße Altflöte bei ihrer sehnsüchtigen Melodie. Der Geruch von Holzrauch und Gewürzen wehte mit dem Abendwind heran, dazu gesellte sich der Duft spät blühender Blumen. Regen lag in der Luft.
Aquitania schön zu nennen war eine Untertreibung, dachte
Fidelias. Dieses eine Wort konnte nicht beschreiben, was die Stadt darstellte.
Sie wurden von einer barschen Stimme angesprochen, ehe sie in Bogenschussweite der Residenz des Hohen Fürsten gelangten, einer von Mauern umgebenen Festung oben auf dem Berg. Fidelias schaute zu, wie ein Mann im Schwarz und Rot Aquitanias zu ihnen herunterschwebte. Ein Dutzend weiterer Männer hing unsichtbar über ihnen im Nachthimmel, doch der Kursor spürte die Luftverwirbelungen, die ihre Elementare erzeugten, um sie in der Höhe zu halten.
Der Ritter Aeris aus der Wache des Hohen Fürsten wechselte die Parole mit Fidelias’ Hauptmann, eine reine Förmlichkeit, die etwas Beruhigendes an sich hatte. Danach setzte die Gruppe ihren Weg nach unten zum Hof der Residenz fort, wo sie von Wachen auf den Mauern und buckligen, schlaksigen Statuen lüstern grinsender Männer beobachtet wurden. Als die Sänfte schließlich aufsetzte, spürte er das leichte, unablässige Zittern der Macht in der Erde, das zu jeder Statue auf der Mauer führte. Unwillkürlich blickte er zu den Statuen.
»Gargyle«, hauchte er. »Alle?«
Aldrick warf einen Blick zu den Statuen, sah dann Fidelias an und nickte.
»Wie lange werden die hier schon gehalten?«
»Seit Menschengedenken«, knurrte Aldrick.
»Aquitania ist so mächtig...« Fidelias schürzte nachdenklich die Lippen. Er hatte kein Verständnis für jemanden, der Elementare in einem derart beengten Gefängnis hielt - schon gar nicht, wenn sie generationenlang dort eingesperrt blieben. Andererseits bewies es ihm - falls er noch Zweifel gehabt hätte -, dass Aquitanius über mehr als ausreichende Kräfte für die bevorstehende Aufgabe verfügte.
Die Ritter Aeris ihrer Eskorte gingen hinüber zum Wachraum, um zu essen und zu trinken, während der Hauptmann von
Aquitanius’ Wache, ein junger Mann mit ernstem Gesicht und wachen blauen Augen, die Tür der Sänfte öffnete und den Insassen höflich die Hand bot. Daraufhin führte er sie in den eigentlichen Palast.
Fidelias betrachtete das Gebäude beiläufig und folgte dem jungen Hauptmann. Er merkte sich Türen, Fenster, Wachen oder deren auffällige Abwesenheit. Dabei handelte es sich um eine alte Gewohnheit, die abzulegen töricht gewesen wäre. Er wollte wissen, wie er ein Haus, das er betrat, auf dem schnellsten Wege wieder verlassen konnte. Aldrick ging mit festen Schritten neben ihm her und trug die schlafende Odiana, als würde sie kaum mehr als ein Bündel Kleider wiegen.
Der junge Hauptmann öffnete eine zweiflüglige Tür zu einem langen Festsaal, in dessen Boden Feuerstellen im Stil der Berge eingelassen waren. In ihnen loderten bereits Flammen, obwohl der wirkliche Kälteeinbruch der Jahreszeit noch auf sich warten ließ. Der rötliche Feuerschein war die einzige Lichtquelle in dem Saal, und Fidelias nahm sich einen Moment Zeit, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
Der Saal zog sich in die Länge, die Decke wurde von einer doppelten Reihe glatter Marmorsäulen getragen. An den Wänden hingen Vorhänge, die für eine warme Atmosphäre sorgten und Lauschern, Wachen oder Attentätern ein perfektes Versteck boten. Die Tische hatte man für die Nacht zusammengeräumt, nur auf einem Podest am anderen Ende des großen Raums stand noch einer, umgeben von mehreren
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