Die Elementare von Calderon
Stühlen. Fidelias hörte leise Musik.
Der Hauptmann führte sie durch den Saal zum Podest.
Auf einem großen Stuhl, der mit dem Fell eines Graslöwen bedeckt war, rekelte sich ein Mann, der so groß wie Aldrick, aber deutlich schlanker war und jugendlich wirkte. Aquitanius hatte hohe Wangenknochen und ein schmales Gesicht, ein kräftiges Kinn und dunkelgoldenes Haar, das ihm bis auf die Schultern wallte. Er trug ein einfaches rotes Hemd, eine schwarze Lederhose
und weiche, schwarze Stiefel. In der einen Hand hielt er locker einen Kelch, in der anderen ein sehr langes Seidentuch, aus dem sich gerade tanzend ein Mädchen mit üppigen Formen wickelte und Stück für Stück mehr von ihrem Körper enthüllte. Aquitanius hatte stechende pechschwarze Augen und beobachtete die Sklavin mit fieberhafter Begeisterung.
Fidelias’ Blick wurde von einem Mann angezogen, der schräg hinter dem Stuhl des Hohen Fürsten stand. Im Zwielicht ließen sich Einzelheiten schwer erkennen. Der Mann war kein Riese, vielleicht einige Zoll größer als Fidelias selbst, doch er war kräftig gebaut, und in seiner Haltung lagen Stärke und Gelassenheit. An seiner Hüfte hing ein Schwert, so viel konnte Fidelias sehen, und eine Ausbuchtung in der dunkelgrauen Tunika ließ auf eine weitere versteckte Waffe schließen. Der Kursor sah dem Mann kurz in die Augen und spürte, wie der Unbekannte ihn abschätzend musterte.
»Wenn dir dein Kopf etwas bedeutet, Hauptmann«, murmelte Aquitanius, ohne sich von dem Mädchen abzuwenden, »stör mich nicht, bis der Tanz zu Ende ist. Alles andere kann warten.« Der Hohe Fürst war bereits angetrunken, denn er lallte leicht, wie Fidelias bemerkte.
»Nein, Hoheit«, widersprach Fidelias und trat an dem Hauptmann vorbei, »es kann nicht warten.«
Der Hohe Fürst richtete sich auf und wandte den Kopf langsam Fidelias zu. Der Blick des Mannes traf den Kursor wie ein Hieb, und Fidelias schnappte innerlich nach Luft, als er die Bewegung in der Erde unter ihnen spürte, ein langsames, dumpfes Vibrieren tief im Stein - ein Widerhall des Zorns.
Fidelias ließ sich nichts anmerken, sondern reagierte, als habe Aquitanius ihn einfach nur begrüßt. Er legte die Faust aufs Herz und verneigte sich.
Es entspann sich ein langes Schweigen, ehe Aquitanius etwas erwiderte. Dann jedoch hallte das schallende Gelächter des Mannes
durch den ganzen Saal. Fidelias richtete sich auf, blickte den Hohen Fürsten an und achtete darauf, mit seiner Miene gleichmütigen Respekt auszudrücken.
»Aha«, schnurrte Aquitanius. »Da haben wir den berüchtigten Fidelias Kursor Callidus.«
»Wenn du erlaubst: Kursor bin ich nicht mehr.«
»Es scheint dich wenig zu kümmern, was ich erlaube«, meinte Aquitanius, während seine Hand noch immer das Tuch des tanzenden Mädchens hielt. »Das ist schon beinahe unhöflich.«
»Unhöflich wollte ich wirklich nicht sein, Hoheit. Leider erfordern wichtige Ereignisse deine Aufmerksamkeit.«
»Erfordern... meine... Aufmerksamkeit«, murmelte Aquitanius und wölbte eine Augenbraue elegant zu einem Bogen. »Du meine Güte. Ich glaube, so hat niemand mehr mit mir gesprochen, seit mein letzter Lehrer sich so verfrüht von uns verabschiedet hat.«
»Hoheit findet in mir eine beweglichere Person.«
»Ratten sind beweglich«, meinte Aquitanius und rümpfte die Nase. »Das eigentliche Problem dieses Dummkopfes war, dass er glaubte, alles zu wissen.«
»Ach«, erwiderte Fidelias, »damit ist bei mir nicht zu rechnen.«
Aquitanius’ dunkle Augen glänzten. »Weil du tatsächlich alles weißt?«
»Nein, Hoheit. Nur die wichtigen Dinge.«
Der Hohe Fürst kniff die Augen zusammen. Er schwieg zwei Dutzend von Fidelias’ beschleunigten Herzschlägen lang, doch der Kursor ließ sich seine Nervosität nicht anmerken. Er atmete ruhig und wartete.
Aquitanius schnaubte und trank lässig den letzten Schluck Wein. Den Kelch hielt er daraufhin einen Moment zur Seite und ließ ihn dann fallen. Der bullige Unbekannte neben ihm bewegte sich schnell wie eine Schlange, fing den Kelch auf, ging zu dem Tisch auf dem Podest und füllte aus einer Glasflasche nach.
»Meine Quellen berichteten mir, du wärest sorglos, Fidelias«,
murmelte Aquitanius. »Aber ich hatte keine Ahnung, dass das so rasch zum Vorschein kommen würde.«
»Wenn es Hoheit gefällt, könnten wir diese Plauderei vielleicht ein wenig vertagen. Zeit ist gegenwärtig ein knappes Gut.«
Der Hohe Fürst nahm den Kelch von dem Unbekannten entgegen und
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