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Die Elementare von Calderon

Die Elementare von Calderon

Titel: Die Elementare von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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weiter einwenden. Während sie ihm die Füße wusch, kamen die ersten Bewohner des Wehrhofs zu dritt, viert oder fünft herein; meistens ganze Familien. Der Wehrhof war wohlhabend. Zwar hielt man gebührenden Abstand zu den Plätzen um das Feuer, doch der Rest der großen Halle füllte sich langsam mit Geräuschen und geselligen Gesprächen - das Hofvolk fühlte sich in Sicherheit, während draußen der Donner grollte, der Wind zunahm und die Sturmglocken in stetem Rhythmus läuteten.
    Dann hatte Isana ihre Aufgabe beendet. »Ich lasse die Stiefel nur schnell abbürsten, Herr, dann schicke ich sie dir zurück.« Sie erhob sich und nahm die Stiefel in die Hand. »Leider können wir euch für heute Nacht nur saubere Decken und einen Platz am Feuer anbieten. Wir werden gemeinsam zu Abend essen und uns dann für die Nacht zurückziehen.«
    Fidelias blickte zur Treppe und wieder zurück zu der Wasserbeschwörerin. Die Sache war also ganz einfach. Nachdem alle
eingeschlafen waren, auch die misstrauische Wasserbeschwörerin, wäre es weiter kein Problem, drei Kehlen im Dunkeln aufzuschlitzen und vor dem Morgengrauen zu verschwinden. »Gemeinsames Abendessen.« Er lächelte sie an. »Klingt hervor-«
    Plötzlich wurde die Tür der Halle aufgestoßen, und Aldrick stürmte herein, begleitet von heulendem Wind. Regen und Hagel prasselten auf seine breiten Schultern und die Schwelle. Odiana hing an seiner Seite. Beide waren zerzaust und hatten Stroh im Haar und auf der Kleidung. Aldrick drängte sich durch die Halle zu Fidelias. Die Hofbewohner wichen vor ihm zurück wie Schafe vor einem scheuenden Pferd.
    »Fidelias«, keuchte Aldrick leise. »Jemand hat unsere Pferde freigelassen. Die wissen Bescheid.«
    Fidelias fluchte und schaute zur Wasserbeschwörerin - die ihre Röcke mit einer Hand hochgerafft hatte und die Treppe hinaufeilte. Seine Stiefel hielt sie in der anderen Hand.
    »Verdammte Krähen«, schnaubte er, stand auf und spürte sofort die Kälte des Bodens. »Ich fange die Pferde ein und suche den Wehrhöfer. Der Junge und Amara sind oben.« Er wandte sich zu Aldrick und tastete nach dem Messer, das er in seiner Tunika versteckt hatte. »Töte sie.«

18
    Tavi kam zu dem Schluss, dass er schmollte.
    Diese Einsicht fiel ihm nicht leicht. Er musste dazu fast zehn Minuten wütend an die Wand starren, nachdem seine Tante gegangen
war, und erst da wurde ihm bewusst, wie schlecht sie ausgesehen hatte. Daraufhin machte er sich Sorgen um sie, und danach fiel es ihm schwer, weiterhin wütend auf sie zu sein. Langsam schwand der Zorn, und nur die Müdigkeit und der Hunger blieben.
    Tavi setzte sich auf, schwang die Beine über die Bettkante und dachte über die Ereignisse des gestrigen Tages sowie ihre Bedeutung für ihn nach.
    Er hatte seine Pflichten vernachlässigt und außerdem gelogen. Und nun musste er dafür büßen - und mit ihm die Menschen, denen er am Herzen lag. Sein Onkel war schwer verwundet worden, weil er Tavi verteidigen wollte, und nun schien es, als wäre Tante Isana gesundheitlich angeschlagen durch ihre intensiven Heilbemühungen. Was durchaus nicht überraschend war. Und obwohl Bernard sich bemühte, es sich nicht anmerken zu lassen, humpelte er leicht. Möglicherweise hatte die Verletzung seinem Bein bleibenden Schaden zugefügt.
    Tavi stützte das Kinn auf die Hände, schloss die Augen und fühlte sich dumm, selbstsüchtig und kindisch. Er war so versessen darauf gewesen, die Schafe zurückzuholen, dass er vergessen hatte, sich so zu verhalten, dass er sie auch verdiente. Er hatte sich selbst und andere einem großen Risiko ausgesetzt, und das alles nur, weil er seinem Traum nachhing - der Akademie.
    Wenn er nun an die Akademie gekommen wäre, obwohl er so falsche Entscheidungen getroffen hatte, wäre es die Sache wert gewesen? Durfte er so viel opfern, um sein eigenes Leben zu gestalten?
    »Du bist ein Idiot, Tavi«, murmelte er vor sich hin. »Ein Prachtexemplar von einem Idioten.«
    Die Sache hätte viel schlimmer ausgehen können - auch für seine Familie. Er schauderte bei der Vorstellung, wie sein Onkel tot auf dem Boden lag oder seine Tante neben der Heilwanne zusammenbrach, mit leerem Blick, seelisch tot, obwohl ihr Körper noch atmete. Zwar war die Angelegenheit nicht so ausgegangen,
aber sie hätte genauso gut geradewegs in die Katastrophe führen können.
    Ihn schmerzten alle Muskeln im Leib, sein Kopf fühlte sich benommen und fiebrig an, und trotzdem ging er zur Tür. Er würde seine Tante

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