Die Elementare von Calderon
Räucherhaus einen unterdrückten Schrei. Dann holte jemand zischend Atem, und es folgten zwei dumpfe Schläge. Tavi eilte mit klopfendem Herzen nach drau ßen.
Amara drückte einem Mann, der am Boden lag, ein Knie auf die Brust und hielt ihm ein Messer an die Kehle.
»Nicht!«, flüsterte Tavi. »Lass ihn los.«
»Er hat sich an mich angeschlichen«, sagte Amara. Sie ließ das Messer, wo es war.
»Das ist Faede. Er ist nicht gefährlich.«
»Er wollte mir nicht antworten.«
»Du hast ihm Angst gemacht«, erklärte Tavi und gab ihr einen Stups an der Schulter. Amara warf ihm einen Blick zu. Endlich nahm sie das Messer von Faedes Kehle und stand auf.
Tavi bückte sich dem Sklaven entgegen, ergriff seine Hand und zog ihn auf die Beine. Faede trug der Kälte wegen dicke Kleidung, dazu eine Wollmütze mit Ohrenklappen, die bis auf die Schultern hingen und aussahen wie die Ohren eines Welpen. An seinen abgewetzten Handschuhen fehlten mehrere Finger. Die unvernarbte Seite seines Gesichts drückte Angst aus, er starrte Amara mit gro ßen Augen an und wich zurück, bis er mit der Schulter gegen Tavis Brust stieß. »Tavi«, sagte er. »Tavi rein. Sturm kommt.«
»Ich weiß, Faede«, sagte Tavi. »Aber ich muss gehen.«
»Wir haben keine Zeit«, drängte Amara und warf einen Blick hinter sich. »Wenn die uns sehen -«
»Tavi bleibt«, beharrte Faede.
»Ich kann nicht. Amara und ich müssen zu Graf Graem gehen und ihn vor den Marat warnen. Sie ist eine Kursorin, und wir müssen aufbrechen, ehe uns ein paar böse Männer daran hindern.«
Faede blickte Tavi fragend und verwirrt an. »Tavi geht? Heute Nacht?«
»Ja. Ich habe Salz.«
Amara zischte: »Na los. Wir haben keine Zeit.«
Faede runzelte die Stirn. »Faede kommt mit.«
»Nein, Faede«, sagte Tavi. »Du bleibst hier.«
»Kommt mit.«
»Wir können uns nicht mit ihm aufhalten«, sagte Amara. »Der Sklave bleibt.«
Faede zog den Kopf ein und stieß ein Heulen aus wie ein verwundeter Hund.
Tavi sprang zu dem Mann und hielt ihm den Mund zu. »Still! Faede, die hören uns!«
Faede verstummte, blickte Tavi jedoch unentwegt an.
Tavi sah von Faede zu Amara. Die Kursorin verdrehte die Augen und gab ihm einen Wink, er möge sich beeilen. Tavi verzog das Gesicht. »Also gut, du darfst mit. Aber wir müssen sofort aufbrechen.«
Der Mund des Sklaven ging zu einem seligen Grinsen in die Breite, und er gluckste. Faede hob kurz die Hand, rannte in die Schmiede und kehrte einige Augenblicke später mit einem abgewetzten alten Rucksack auf dem Rücken zurück. Die ganze Zeit murmelte er aufgeregt Sätze vor sich hin, die keinerlei Sinn ergaben.
Amara schüttelte den Kopf und fragte Tavi: »Ist er schwachsinnig?«
»Er ist ein guter Mann«, sagte Tavi, um Faede zu verteidigen. »Er hat Kraft und arbeitet hart. Bestimmt wird er uns nicht im Weg stehen.«
»Wäre auch besser«, meinte Amara. Sie schob ihr Messer in den
Gürtel und warf Faede ihr Bündel zu. »Ich bin verletzt, er nicht. Deshalb kann er meins tragen.«
Faede fing das Bündel nicht und musste sich bücken, um ihr Gepäck aufzuheben. Er setzte es sich auf die andere Schulter.
Amara wollte sich umdrehen und losgehen, doch Tavi legte ihr die Hand auf die Schulter. »Diese Männer, werden die uns nicht einholen, wenn wir zu Fuß laufen?«
»Ich kann nicht gut reiten. Du bist kein Erdwirker. Der Sklave vielleicht?«
Tavi blickte Faede an und grinste. »Nein. Ich meine, er kann ein bisschen mit Metall umgehen. Und er macht Hufeisen, aber ich glaube, er ist kein Erdwirker.«
»Also sollten wir besser gehen«, sagte sie. »Einer der Männer, die hinter uns her sind, ist Erdwirker, und er kann hervorragend mit Pferden umgehen.«
»Im Sattel sind sie viel schneller.«
»Und genau deshalb sollten wir langsam aufbrechen. Wenn wir Glück haben, bleiben sie bis morgen früh hier.«
»Wir treffen uns am Stall«, sagte Tavi und eilte in die nahezu vollständige Dunkelheit davon. Amara zischte ihm etwas hinterher, aber Tavi beachtete sie nicht, sondern verschwand durch die Stalltür.
Er kannte die Tiere von Bernardhof. Die Schafe standen friedlich in ihrem Pferch, die Rinder nahmen den restlichen Platz auf ihrer Seite ein. Auf der anderen lagen die Garganten in ihrer Grube und schnauften im Schlaf - und hinter ihnen hörte Tavi das nervöse Wiehern der unruhigen Pferde.
Leise schlich er durch den Stall, bis er ein Geräusch auf dem Heuboden über sich vernahm, wo sich ein Vorratsraum zwischen den Balken und
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