Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung
und fleucht.«
»Ja, ja, aber vor allem waren da Zwerge. Und es sind die Zwerge gewesen, diese widerlichen kleinen Steinbeißer, die diesen Elf haben verbrennen lassen.«
Gorlois dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte er mit einem zweifelnden Kichern den Kopf.
»Das wird nicht funktionieren.«
»Aber natürlich! Es funktioniert immer, solange man sie nur in dem Glauben wiegt, es sei nicht ihre eigene Schuld!«
Er hob den Finger und beugte sich zu Gorlois.
»Die Zwerge, alter Freund. Seit Urzeiten hassen sie die Elfen und haben die Bewohner unserer schönen Stadt gegen das unschuldige, das wunderbare Feenvolk aufgebracht. Von nun an wird es keine Musik mehr geben in Loth, auch nicht mehr diesen herrlichen ziselierten Silberschmuck noch diese magische Kleidung in den changierenden Farben ... Und warum gibt es all das nicht mehr, Gorlois? Weil der alte Baldwin und sein Haufen bärtiger Ungeheuer aus den Tiefen der Erde uns mit ihrem Gold und ihren mächtigen Äxten geblendet haben ... Das ist es, was die Mönche sagen müssen.«
»Nun ja. Versuchen können wir’s ja.«
Pellehun lehnte sich in seinem Thron zurück und bedeutete seinem Seneschall mit einer Geste, dass er entlassen sei.
»Erledige das. Mönche, Soldaten, Diebe, Nutten, benutze sie alle. Ich will, dass das Volk vor Einbruch der Nacht einen Namen für seinen Hass hat.«
Die Fackel hatte nur wenige Stunden gebrannt. Seit Tagen marschierten sie durch die Finsternis, zunächst von der Königin geführt, dann, als ihre Augen sich hinlänglich an die Dunkelheit des Stollens gewöhnt hatten, so dass sie nicht mehr bei jedem Schritt stolperten, jeder für sich. Aber die andauernde Dämmerung hatte ihnen jegliches Zeitgefühl geraubt. Es war reiner Überlebensdrang, der sie vorantrieb, und von Zeit zu Zeit fielen sie einfach wie gefällte Baumstämme auf den Boden und versanken in bleiernem Schlaf, um dann wieder in ewiger Nacht zu erwachen, mit leeren Bäuchen, gegen den Durst die feuchten Wände ableckten und wortlos weitermarschierten.
Keiner hatte mehr ein Wort gesprochen seit Tsimmis Tod. Ihn selbst hatten sie im magischen Kreis liegen lassen, aber ihre Gedanken waren von seiner Abwesenheit erfüllt.
Ohne ihn wussten sie nicht einmal, wohin sie eigentlich gingen. Der Tunnel konnte der Durchgang der Zwerge von Oonagh sein, von dem der Meister der Steine gesprochen hatte, aber ebensogut ein altes Gletscherbett, oder schlimmer noch, ein Dämonenstollen, der in die Schwarzen Lande führte. Es war ihnen alles gleich. Ein jeder ging für sich, jenseits der Müdigkeit, jenseits der Hoffnung.
Vor Stunden schon hatte Frehir, als er über einen Felsblock gefallen war, sein Schwert verloren. Er hatte sich wieder aufge- rappelt, ohne auch nur danach zu suchen.
Bei jeder Rast betrachtete Lliane Uther, und ihr Herz zog sich zusammen, als sie die verheerenden Spuren der Erschöpfung auf seinem Gesicht entdeckte. Ein dünner brauner Bart wucherte auf seinen Wangen. Seine Augen waren tief in den Höhlen versunken. Seine Haut war grau und schmutzig und sein dreckbespritztes Wams an mehreren Stellen zerrissen. Von dem stolzen Ritter, der unter den Anfeuerungsrufen der Menge mit geschwellter Brust Loth verlassen hatte, war nicht mehr viel übrig. Er war nur mehr ein Mann am Ende seiner Kräfte, den allein der Ritterstolz noch am Leben hielt. Uther lamentierte nicht und ließ sich nie von seinen Gefährten abhän- gen, aber die Königin wusste, dass er seine letzten Kräfte verbrauchte. Frehir machte riesige Schritte, und sie selbst besaß wie alle Elfen ein den Menschen weit überlegenes Durchhaltevermögen. Uther jedoch würde dieses Tempo nicht mehr lange durchstehen.
Sie hatte zwar versucht, den Rhythmus zu verlangsamen, um eine Rast zu bitten, selbst wenn sie keine brauchte, aber von nun an durften sie keine Zeit mehr verlieren.
Das Wolfsfleisch war verspeist, bis auf die Knochen abgenagt, und nun hatten sie schon seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen. Wie lange konnte ein Mensch überleben, ohne zu essen? Sie wusste es nicht. Sie selbst begann zu leiden. Ihr silbernes Kettenhemd lastete ihr schwer auf den Schultern, der Ledergürtel, der ihren Dolch trug, schnitt ihr in die Leisten, sie hatte Hunger, sie konnte nicht mehr ...
Plötzlich blieb Lliane abrupt stehen. Beinahe unwillkürlich sträubten sich ihr die Haare, als würde sie schon spüren, was ihre Augen noch nicht sehen konnten und was ihre Ohren zu hören sich weigerten: ein Fiepen,
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