Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
zu führen. All dies hätte nicht geschehen müssen, wenn sie frühzeitiger auf Oblon gehört hätte. Seine Geschichten über Trolle hatte sie schlichtweg nicht ernst genommen. Wäre sie schon gestern Mittag zu Madra und Nikodemus gegangen, statt sich ihrer Lust hinzugeben, dann würde Oblon wahrscheinlich noch leben.
Ich bin nicht mehr die Königin, ermahnte sie sich in Gedanken! Ich bin frei. Aber hieß das, dass sie ohne jede Verantwortung war? Konnte sie so sein? Oder war sie sogar schon immer so gewesen? Um das Verbrannte Land hatte sie sich jahrhundertelang nicht gekümmert. Auch hatte sie keinen Statthalter bestimmt, der ihr berichtete, was hier geschah, oder zumindest ein paar Spitzel hier gehabt, so dass sie informiert wurde, ohne dass jemand mit Befehlsgewalt sie vor Ort vertrat. Wie viele Landstriche gab es noch, in denen Unterdrückung und Gewalt regierten? Zu lange hatte sie sich nur um das Herzland, die Südprovinzen und den Norden gekümmert. Dort drohten die Trolle, gegen die sie in so vielen Schlachten gekämpft hatte. Hier lagen die Fürstentümer der Elfen mit all ihren verborgenen Feinden, die ihr Leben, ihren Thron oder beides wollten. Der Devanthar, dessen Machenschaften sie nicht durchschaute, dessen Ziel ihr aber wohl bewusst war. Er wollte Albenmark zerstören. Vollkommen ohne Gnade. So wie einst die Zerbrochene Welt zerstört worden war. Und die Yingiz, die rätselhaften Seelenfresser aus dem Nichts. Kreaturen, von denen niemand wusste, wer sie erschaffen hatte oder woher sie gekommen waren. Sie war belagert von Feinden gewesen. Jeden Tag. Aber war dies nicht einfach nur eine Ausrede? Ihre Pflichten als Herrscherin Albenmarks waren umfassender. Hätte sie nicht mindestens Vertraute ausschicken müssen, die an ihrer Stelle die Augen offen hielten? War das ein Weg? Oder bedeuteten Spitzel das Ende von Freiheit? Konnte Freiheit, die man gewährte, wenn man tiefer blickte, nicht in Wahrheit auch ein willkommener Deckmantel für Verantwortungslosigkeit sein?
Nie, seit sie ihren Thron aufgegeben hatte, war sie sich ihrer Orientierungslosigkeit so bewusst gewesen wie jetzt. Sie war nicht einfach eine fahrende Ritterin geworden. Sie hatte sich treiben lassen. Ohne Ziel. Und Falrach hatte darunter gelitten. In Feylanviek, hier unter den Kobolden und als sie ihn in den Armen hielt und Ollowain genannt hatte.
Was war Liebe? Die Seele eines Elfen konnte man am ehesten mit jenen von unglaublicher Lebenskraft erfüllten Bäumen aus dem tiefen Süden vergleichen. Man konnte sie fällen, ja sogar verbrennen. Solange nicht auch die letzte ihrer Wurzeln zerstört wurde, keimten sie erneut. So war es mit der Widergeburt der Elfenseele. Ein neuer Baum keimte aus einer alten Wurzel. Und natürlich unterschied er sich von dem, den er ersetzte. So war es mit Falrach und Ollowain. Falrach war für sie gestorben, und sie hatte ihre Liebe für ihn jahrhundertelang nicht vergessen können. Dann wurde seine Seele in Ollowain wiedergeboren. Und der weiße Ritter war ein völlig anderer. Sie hatte sich neu verliebt. Still, wohl wissend, dass ihre Liebe von Ollowain nicht erwidert wurde, auch wenn er ihr treuester Diener war.
Warum konnte sie den Mann, der von einem rätselhaften Zauber ausgelöscht worden war und der sie nicht geliebt hatte, nicht vergessen? Warum kehrte ihre Liebe zu dem Mann, der sie tatsächlich liebte, nicht zurück? Dachte man mit kaltem Blut darüber nach, dann war ihr Glück zum Greifen nahe. Warum nahm sie Falrachs Liebe nicht einfach an?
Oder sollte sie jeglicher Liebe entsagen, um erneut nach dem Thron zu streben? In Vahan Calyd, bei der nächsten Königswahl. Wenn die Fürsten, die dort versammelt waren, sie zu ihrer Königin bestimmten, dann könnte sie die Herrschaft zurückerobern, ohne einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen. War das der Weg, den ihr das Schicksal bestimmt hatte? Lag es überhaupt in ihrer Macht, ihrem Leben eine andere Wendung zu geben?
Sie war ratlos. »Bringt mir den Anführer der Grauhäute«, sagte sie mit leiser, aber durchdringender Stimme. Sie wusste, dass vor dem Vorhang aus Steinen, Kürbiskernen und Lederstreifen drei Kobolde kauerten, die darauf warteten, dass sie entschied, wer künftig Oblons Platz als Schamane und Stammesführer einnehmen sollte. Nur wenig später stieß man den Alten in die Totenkammer. Auch sein zweites Auge war nun zugeschwollen. Es sah aus, als begännen die betrogenen Kobolde nun Rache an den falschen Trollen zu nehmen. »Was
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