Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
alte Jungfer. Ich sage euch, die Arme müssen ab. Gleich am Ellenbogen!«
Durch den Schleier der Schmerzen klangen die Stimmen wie aus weiter Ferne. Emerelle war am Rande der Ohnmacht. Sie vermochte dem Sinn der Worte, die sie hörte, kaum zu folgen. Den Anfang des Gesprächs hatte sie nicht wahrgenommen. Das Fleisch ihrer Hände war miteinander verschmolzen. Die Haut der Handflächen war zu Rauch geworden. Der Albenstein lag in den Überresten ihres verbrannten Fleischs eingebettet. Er und das Erbe ihres Vaters würden helfen, sie zu heilen, wenn ihr genug Zeit blieb. Sollten die Kobolde allerdings versuchen, ihr die Arme zu amputieren, bestanden wohl beste Aussichten, dass sie verbluten würde. Oder sie würde am Schock sterben.
»Wir könnten sie auch einfach liegen lassen«, sagte der Nörgler.
»Und dann?«, wollte die Frau wissen. »Was machen wir dann? Zurückgehen? Ohne Wasser werden wir nicht weit kommen. Wenn sie hier stirbt, dann wird unser ganzes Volk mit ihr sterben.«
»Wir könnten versuchen, zum Jadegarten zu kommen«, wandte der Nörgler ein. »Der Sturm flaut ab. Es ist nicht mehr weit. Weniger als einen Tagesmarsch, schätze ich. Wir sollten dann noch den anderen Riesen töten. Der große Riese hat es schon hinter sich. Dann sind wir wieder frei.«
»Und der Drachenreiter?«, wandte die Frau ein. »Den müssten wir auch umbringen. Und wie viele von uns werden sterben? Wir haben fast kein Wasser mehr. Wir alle sind geschwächt. Wer überlebt den Marsch durch die Wüste? Acht von zehn? Oder vielleicht nur sieben? Wenn du jemals ein Kind geboren hättest, dann würdest du nicht so leichtfertig über Leben sprechen.«
»Da ich nie eines geboren habe, kann ich für alle denken, statt im Kampf um ein einzelnes Leben das Schicksal unseres Volkes aus den Augen zu verlieren«, entgegnete der Alte gelassen. »Welche Wahl haben wir denn? Hier sitzen und nichts tun? Hier sitzen und ihr die Arme abschneiden und hoffen, dass sie das überlebt? Oder alle Riesen und den Drachenreiter töten und hoffen, dass die meisten von uns durchkommen?«
»Weißt du, was uns im Jadegarten erwartet?«, fragte der jüngere Mann, derjenige, der sich gerade noch mit großer Begeisterung dafür ausgesprochen hatte, ihr ein Messer durch die Armgelenke zu stoßen. »Gibt es noch Drachen?«
»Wenn es noch welche gibt, dann haben die sich wirklich lange nicht mehr sehen lassen. Nein, die großen Drachen sind alle tot«, sagte die Frau entschieden. »Es würde Geschichten über sie geben, wenn sie noch da wären. Es war nie ihre Art, sich zu verstecken. Sie mussten niemanden fürchten.«
»Für uns würde auch ein einzelner, kleinerer Drache genügen«, wandte der Nörgler ein.
»Wir könnten den Drachenreiter mitnehmen«, sagte die Frau. »Er muss wissen, wie man mit ihnen umgeht. Sonst könnte er sie nicht reiten.«
Der Schmerz gewann die Oberhand. Er war wie Tausende kleine Baumwollkügelchen. Er löschte jede andere Sinneswahrnehmung aus. Verstopfte ihre Ohren, bis die Stimmen zu einem unverständlichen Gemurmel wurden. Verklebte ihre Augen, so dass sie nichts sehen konnte. Hüllte ihren Körper ein, bis keine andere Empfindung mehr blieb als der rasende Schmerz, der sie hinabzog auf ein großes, dunkles Loch zu. Sie wusste, dass der Albenstein längst erkaltet sein musste. Aber die letzte Erinnerung ihrer Nerven, bevor sie zu Asche wurden, schien unauslöschlich fortzuleben. Der Schmerz des weiß glühenden Steins, der jegliches Leben aus ihren Fingern gebrannt hatte, pulsierte immer noch durch ihren geschundenen Leib. Sie wusste, was geschehen würde, wenn sie aufgab und ihm ins Dunkel folgte.
Sie lauschte auf die Stimmen, aber sie waren in unerreichbare Ferne gerückt. Nicht einmal unverständliches Gemurmel war übrig geblieben.
Sie sind fort, redete sie sich ein und fürchtete zugleich, dass sie es war, die sich mit jedem verzweifelten Herzschlag weiter aus der Welt der Lebenden entfernte. Der Sandsturm ließ nach, hatte der Nörgler gesagt. Sie wusste, warum. Der Sturm spürte sie nicht mehr. Dies war die eine Höhle, in der sie sicher waren. Die einzige unter Dutzenden Höhlen, die sich wie riesige Wurmlöcher durch die Felskante zogen. Nandalee, ihre Mutter, hatte ihr von der Höhle erzählt. Sie selbst war auch schon hier gewesen. Allein hatte sie den Wettlauf gegen den Drachenatem leicht gewonnen. Und doch hatte sie auch früher schon hier Schutz gesucht. Hatte abgewartet, bis der Sturm verebbte. Sie wusste,
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