Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Glückskind. Dort, wo ihn seine Kleider nicht geschützt hatten, sah er nicht besser aus als Madra. Sein Gesicht war eine einzige blutende Wunde. »Nehmt ihn mit!«, befahl Dobon.
Eine Gruppe Krieger umringte den Elfen und packte ihn. Sie zogen ihn über den Boden, und obwohl sie recht derb mit ihm umgingen, wachte er nicht mehr auf. Nikodemus wurde sich bewusst, dass er jetzt völlig den Grauhäuten ausgeliefert war. Es war niemand übrig geblieben, der ihn hätte beschützen können. Was sie wohl mit ihm anstellen würden, wenn die anderen starben?
Wie sich zeigte, hatte Dobon die Richtung gut eingeschätzt. Sie erreichten die Höhle ohne Zwischenfall. Zuerst wurden alle Kobolde hineingeschafft. Nur im Eingangsbereich der Höhle lag ein wenig Sand. Sie fanden die Kinder, die Madra und Falrach hierhergebracht hatten, wohlbehalten vor.
Zuletzt kamen Emerelle und der Troll. Im selben Augenblick, als die Elfe durch den Höhleneingang trat, heulte der Sturm hinter ihr auf wie ein wütendes Tier. All ihre Zaubermacht war verloschen. Nikodemus sah ihre Hände und blickte sofort wieder weg. Sie würde für immer verkrüppelt sein. Da würde ihr der Zauber, den sie in Feylanviek gewirkt hatte, um ihre abgetrennte Hand nachwachsen zu lassen, auch nichts mehr nützen. Er hatte sie nie gemocht. Sie war hochmütig und grausam. Sie verkörperte alle schlechten Eigenschaften der Elfen für ihn. Aber an diesem Tag hatte sie sich selbstlos aufgeopfert. Sie war eine Meisterin der Magie, und der Lutin war sich sicher, wenn sie es gewollt hätte, dann hätte sie leicht einen Weg gefunden, um nur sich und Falrach zu retten. War das die herausstechendste Eigenart einer guten Königin? Ihr Volk in Zeiten der Not niemals im Stich zu lassen?
Sie war nicht ganz bei sich. Schmerz und Erschöpfung hatten sie völlig ausgezehrt. Einige Koboldfrauen führten sie zu einer Nische, weiter hinten in der Höhle. Sie versuchten ihre Hände zu versorgen, so gut es eben möglich war.
Madra ging dicht beim Eingang in die Knie. Einen Moment lang verharrte er schwer atmend, dann stürzte er nieder. Fast hätte er einen der Alten unter sich begraben, die, am Ende ihrer Kräfte, am Eingang der Höhle verharrt hatten.
Nikodemus eilte an die Seite seines Gefährten. Er hatte erwartet, seinen Freund bewusstlos vorzufinden. Dem war nicht so. Seine entstellten Lippen bewegten sich. Unverständliche Laute entrangen sich seiner Kehle. Der Lutin versuchte, ihm etwas aus seiner Kürbisflasche zu trinken zu geben, doch das meiste rann an den Lippen vorbei. Schließlich riss sich Nikodemus einen Streifen von seinem Hemd, tränkte es mit Wasser und ließ den Troll daran lutschen. So gelang es Madra, ein wenig Flüssigkeit aufzunehmen.
»Wel…pen«, stieß der Troll hervor. Er wiederholte die zwei Silben, und Nikodemus verstand das Wort ganz klar, aber es dauerte eine Weile, bis er begriff, was sein Gefährte wollte. Er stand auf und ging in die Höhle. Fast alle Kinder kamen mit ihm, als er sie fragte. Und das, obwohl sie wussten, wie Madra aussah.
Sie stellten sich in mehreren Reihen um den Troll. Einige der Kleineren weinten. Selbst sie begriffen, wie es um Madra stand. Der ältere Junge, den Madra in die Höhle getragen hatte, hatte einen kleinen Tonkrug mit einer fettigen, gelben Salbe mitgebracht. Vorsichtig tupfte er sie auf die Wunden des Trolls.
Madra zitterte jetzt. Nikodemus war kein Heiler, aber er hatte bei Gromjan und später bei Ganda genug gelernt, um zu wissen, was das bedeutete. Der Troll kühlte aus. Er hatte zu viel Blut und schützende Haut verloren. Sein Körper konnte keine Wärme mehr halten.
Den Hünen so hilflos schlotternd zwischen den Kindern liegen zu sehen, berührte Nikodemus zutiefst. Er räusperte sich, um sein Schniefen zu überspielen.
»Tut das schlimm weh?«, fragte ihn ein kleines Mädchen mit zu Stacheln gedrehten Haaren.
Wieder räusperte er sich. »Er ist ein harter Bursche. Er hält viel aus.«
Nikodemus sah die neue Hoffnung in den Gesichtern der Kinder. Er verfluchte sich. Was war er nur für ein Idiot!
Das Mädchen beugte sich zu Madras Kopf. »Hast du gehört? Der Drachenreiter sagt, e wird wieder gut.«
Wie konnte er das zurücknehmen? »Ich …« Der Junge, der die Salbe auftrug, sah ihn finster an. Zumindest ihm war klar, dass hier nicht mehr gut würde.
»Er sagt etwas!«, rief das Mädchen aufgeregt.
Sofort war Nikodemus wieder über seinen Lippen. Madras Atem war kaum noch zu spüren. Aber er
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