Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Stimme. »Die Fähigkeit zur Hoffnung ist die letzte Tugend, die wir uns erhalten haben. Hilf ihm!«
Sie sah zu Falrach. Der Krieger streckte sich und lockerte die Muskeln von Schulter und Hals. Mit dem Bärtigen waren sieben Krieger beim Prinzen. Die Felsen schirmten sie gegen die Blicke der übrigen Piraten ab. Sie würden siegen können, aber es wäre dann unmöglich, in Ruhe mit der Gazala zu sprechen.
»Ich brauche frisches Fleisch, wenn ich ihn heilen soll. Es muss noch warm sein!« Der Bärtige sah sie fragend an. »Fleisch?« »Willst du mit dem Fleisch seine Wunden kühlen?« Der Alte, der neben dem Prinzen kniete, sah sie durchdringend an. »Er muss vor allem trinken. Er verliert zu viel Flüssigkeit. Lass das Weib in Frieden, Miridas. Alles, was wir dem Prinzen noch geben können, ist ein gnädiger Tod. Sieh ihn dir doch an. Nur die Götter könnten ihn noch heilen.«
»Ich hole das Fleisch!«, entgegnete der Krieger störrisch und eilte davon.
Der alte Heiler stellte die Silberschale auf den Boden. Er griff nach einer kleinen, abgestoßenen Holzschatulle und klappte sie auf. Emerelle sah, wie seine Hände zitterten, als er eine Phiole mit einer milchigen Flüssigkeit aus der Schatulle nahm. »Schlafmohn?«
Der Alte blickte zu ihr auf. Ihm standen Tränen in den Augen. »Weißt du, er ist besser als sein Ruf. Die meisten Untaten, die man ihm angedichtet hat, sind die Taten anderer Männer gewesen.«
Emerelle kniete sich neben den Prinzen. Sie griff nach einem seiner nackten Beine. Die Haut war kühl und trocken. Sie schloss die Augen. Der Schmerz traf sie wie ein Peitschenhieb. Sie griff nach dem Albenstein an ihrem Hals. Sie teilte den Schmerz des Sterbenden. Sein Körper kämpfte verzweifelt gegen die Verbrennungen an. Er versuchte die Wunden zu kühlen. Ständig troff Sekret von den Wunden. Es dörrte ihn aus, ohne zu helfen. Emerelle nahm die Hand fort. Sie atmete schwer aus.
Der alte Heiler beobachtete sie misstrauisch. »Seit über fünfzig Jahren helfe ich Verletzten und Kranken. In all den Jahren habe ich nicht erlebt, dass der Hokuspokus einer Kräuterhexe je geholfen hätte. Alles, was ihr vermögt, ist, Hoffnungen zu wecken. Hoffnungen, die ihr nie einhalten könnt. Du bist eine junge, hübsche Frau. Die meisten Männer glauben dir gewiss alles, was du ihnen sagst. Geh deiner Wege. Ich werde dafür sorgen, dass Miridas dich in Frieden lässt. Besuch das Orakel.
Wunderheilerinnen und Orakelpriesterinnen passen gut zusammen.«
»Du hast dich mit einem Tod schon abgefunden. Was also hast du zu verlieren, wenn ich versuche, ihm zu helfen?«
Er lächelte milde. »Deine Bemühungen in allen Ehren, Weib … Aber nicht ich bin es, der etwas zu verlieren hat. Und auch nicht der Prinz. Er ist schon fast bei den Göttern. Du bist diejenige, um die es geht. Wenn ich dich eine Scharlatanin nenne und dich fluchend davonjage, wenn Miridas zurückkehrt, dann wird er sich nicht mehr nach dir umdrehen. Wenn du hier aber irgendwelche barbarischen Possenspiele mit blutigem Fleisch aufführst und der Prinz stirbt, dann wird sich alle Wut und Enttäuschung von Miridas gegen dich wenden.«
Emerelle blickte zu den Wachen. Trotz der Worte des Heilers sah sie bange Hoffnung in ihren Gesichtern. Ihre Blicke flehten sie an zu bleiben.
»Wir sollten gehen, Mutter«, sagte Nikodemus leise. »Der alte Mann hat uns einen wohlmeinenden Rat gegeben.«
Die Elfe berührte noch einmal das Bein des Prinzen. Sie wäre nicht bereit, noch einmal seine Schmerzen zu teilen. Aber es gäbe einen anderen, dunkleren Weg, ihm zu helfen. »Verdient er zu leben?«
Der Alte runzelte ärgerlich die Stirn. Er sah sie wütend an. Seine klaren, grauen Augen waren voller Lebenskraft. »Dir steht es wohl nicht zu, über ihn zu urteilen.« »Deshalb frage ich ja auch dich«, entgegnete Emerelle freundlich. »Verdient er zu leben?«
Der Heiler richtete sich auf. Er war ein kleiner, gedrungener Mann. »Scher dich davon, Weib! Tigranes hat es nicht verdient, eine wie dich an seinem Sterbebett zu haben!« »Jeder von uns hier würde für ihn sterben«, sagte einer der Krieger. Es war ein blonder Mann mit stoppeligen Wangen, der vor der Zeit gealtert war. »Er war ein Held. Er war unsere Hoffnung. Wenn er bei Bewusstsein wäre, würde er nicht dulden, wie du redest, Serenas. Er würde einen freundlichen Scherz über dich machen, Kräuterhexe. Er würde uns zum Lächeln bringen und es mit ein paar Worten schaffen, wieder Hoffnung in unsere
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