Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Jahr Ruhe …« Er spuckte wieder über die Reling. »Werd den Abend nie vergessen. War vielleicht fünfzig Meilen östlich von hier. Kamen herangeprescht, die Pferdeärsche. Schon als ich den Donner der Hufe gehört habe, bin ich sofort rauf zur dicken Bascha. Braucht seine Zeit, bis man sie gespannt hat. Das ist der einzige Nachteil bei ihr. Aber wenn sie erst mal scharf ist, dann haut sie jeden Kerl um.«
Der Schiffer starrte wieder zum Ufer. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, aber di Sicht war nicht besser geworden.
»Und …«, drängte Anderan.
»Beim zweiten Mal war es nicht genug, die Dicke zu zeigen. Hat so ein Pferdearsch doch mit dem Bogen auf mich angelegt. Blöd wie Büffelscheiße sind die! Spannt der seinen Bogen, wo ich mit der Bascha auf ihn ziele. Hab nicht lange gefackelt. Hättest du sehen müssen, wie es den von den Hufen geholt hat. Der Bolzen ging glatt durch ihn hindurch und ist danach noch ein gutes Stück weitergeflogen. Das war ein Geschrei! Wollten mich langmachen, die Pferdeärsche. Aber als ich nachgeladen hatte, haben sie es sich anders überlegt. Hinter der Bascha steht man gut in Deckung. Und die Pferdeärsche können nicht einfach an Bord klettern. Haben die nicht drauf. Haben Schiss, dass die sich an der Reling beim Springen ihre dünnen Beinchen brechen. Als die noch geschrien und rumpalavert haben, hatte ich schon nachgeladen. Und da hatten sie plötzlich keine Lust mehr auf Streit und sind auf und davon. Danach hatte ich nie wieder Ärger.«
Der Schiffer lehnte sich an die Reling und blickte zum Bug. »Gutes Mädel, meine Bascha«, sagte er leise. Dann schwiegen sie beide für lange Zeit.
Anderan litt unter der Kälte. Er hatte die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen. Aber die Wärme floh seinen Körper. Noch nie im Leben war ihm so kalt gewesen.
»Dein erster Winter?«
Dem Holden klapperten die Zähne. »War nie so weit im Norden«, stieß er abgehackt hervor.
»Wart mal ab, bis es schneit«, sagte der Schiffer voller Schadenfreude. »Da wirst du morgens wach, und deine nassen Haare sind auf dem Deck festgefroren.« »Das dauert doch noch, oder?«
»Kann niemand sagen. Wenn der Nordwind kommt, dann schlägt das Wetter von einem Augenblick auf den anderen um. Die Kentauren nennen ihn den Klingenwind, denn seine Kälte schneidet dir wie Messer ins Fleisch. Dann wirst du dir wünschen …« Er hielt inne. Dann lief er plötzlich zum Bug des Lastkahns. Die Dunkelheit verschluckte ihn. Anderan sah zu den schlafenden Ruderern. Keiner war erwacht. Vom Bug drangen seltsame Geräusche zu ihm.
Er richtete sich auf. Und jetzt sah er, was den Schiffer beunruhigt hatte. Lichter waren auf dem Fluss. Er konnte fünf zählen.
Anderan tastete sich an der Reling entlang zum Bug. Der Schiffer hatte das Öltuch von der dicken Bascha gezerrt. Leise drehte er an der Kurbel, mit der man den Bogen der schweren Armbrust spannte. Jede Drehung wurde von einem metallischen Klacken begleitet.
»Siehst du das?«, flüsterte der Schiffer. »Die Laternen. Sie stehen zu tief. Die sitzen ja mit dem Arsch auf dem Wasser! Das müssen Flöße sein!« »Wer kann das sein?«
»Früher kam es vor, dass Bauholz den Strom hinab nach Vahlemer geschifft wurde. Aber da baut keiner mehr. Weder Schiffe noch Häuser. Hier stimmt was nicht. Niemand fährt nachts auf dem Strom. Allerdings leben wir in seltsamen Zeiten. Ich will die anderen nicht wecken und mich am Ende zum Gespött machen. Vielleicht sind es auch Totenflöße. Doch auch die hat es lange nicht mehr gegeben.«
»Totenflöße?«
»Einige der wilden Elfen aus den Wäldern im Norden bestatten ihre Toten, indem sie sie auf Flöße betten. Einmal hab ich ein gestrandetes Totenfloß gesehen. Es war unheimlich. Nicht weit entfernt kauerte ein Elf und wachte über den Toten. Er war ganz nackt und mit rotbrauner Farbe bemalt. Sie überlassen ihre Toten den Tieren und Naturgewalten. Aber wehe, jemand anderes streckt nach ihnen die Hand aus.« Der Schiffer legte einen schweren Bolzen auf die Führungsschiene der Armbrust. Wahrscheinlich meinte er die Maurawan, dachte Anderan. Solch seltsame Rituale passten nur zu ihnen.
Die Flöße waren jetzt ganz nahe. Dennoch konnte man sie immer noch nicht deutlich erkennen. Die Laternen waren rußverschmiert, ihre Scheiben fast blind. Das Licht erhellte nur ein paar miteinander verbundene Stämme. Der größte Teil der Flöße blieb im Dunkel. Anderan glaubte den Schatten eines Reiters zu sehen.
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