Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
plumpen Schritten tiefe Furchen in das Weiß zogen.
Melvyn kauerte sich in den Windschatten des Felsens. Eiskristalle glänzten in seinem Haar. »Hast du die Stufen weiter oben im Schnee bemerkt?« Emerelle nickte.
»Das sind Bruchkanten … Hier gehen … Lawinen nieder. … kann eine solche Bruchkante zurückbleiben. Wenn wir auf den Gletscher … sollten wir uns beeilen. Wir müssen … schnell bis zu dem Felsgrat gelangen, der sich … im Norden erhebt. Ich hoffe .. .wir ein weites Stück zum Gipfel hinauffolgen.«
Emerelle nickte. Die Hälfte von Melvyns Worten hatte sie ihm von den Lippen abgelesen, weil der heulende Wind jedes andere Geräusch überlagerte. Er trat dicht an sie heran und begann die Lederriemen des Adlergeschirrs zu lösen. Zwei Schritt hinter ihr gab es einen tiefen Einschnitt im Felsen.
»Wir werden die Geschirre … verstauen. Wolkentaucher … versprochen, dass er jeden Tag zwei Stunden … Sonnenaufgang hierherkommt, um uns zu suchen.«
Wieder verstand sie nicht alles. Sie streifte das Gurtzeug ab und trat an die Spalte. Leichte Kopfschmerzen pochten hinter ihrer Stirn. Vielleicht lag es an dem turbulenten Flug. Sie schob das Adlergeschirr in die Spalte. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Dort kauerte eine Gestalt. Die Knie angehockt und mit den Armen umschlungen. Das Kinn auf die Knie gesetzt. Ihr Gesicht war dunkel vom Frost. Darin leuchtete das Weiß der Augen. Die Gestalt sah sie unverwandt an.
Sie musste tot sein. Das fein geschnittene, schmale Gesicht ließ an einen Elfen denken. Emerelle beugte sich vor und wollte die Lider schließen. Sie waren gefroren. Je länger sie die Gestalt betrachtete, desto sicherer war sie, dass es ein Elf war. Er trug viel zu leichte Kleidung für die große Höhe. Das hieß, er war sich sicher gewesen, sich mit einem Zauber gegen den beißenden Frost schützen zu können. Warum war er erfroren?
Sie stellte ihr Adlergeschirr vor den Toten. Melvyn bedachte ihn nur mit einem kurzen Blick. »Es heißt, der ganze Gipfel sei ein einziges Grab«, sagte er. »Komm jetzt. Wir müssen möglichst hoch hinauf gelangen, bevor es Nacht wird.«
Sie folgte ihm. Wind trieb Schleier aus Pulverschnee über den Gletscher. Melvyn ging mit sicheren Schritten. Man merkte, dass er im Schatten des Albenhaupts aufgewachsen war. Emerelle hingegen fühlte sich müde und ein wenig schwindelig. Alle paar Schritt musste sie innehalten und tief einatmen. Den Toten zu sehen, hatte ihr zu schaffen gemacht. Kälte war ihr tief in die Knochen gefahren. Es war die Kälte der Furcht.
Nach einer halben Stunde erreichten sie den felsigen Grat, den Melvyn zum Ziel ihre ersten Etappe erwählt hatte. Auf der anderen Seite lag ein steiler Hang voller Geröll.
Vereinzelte Schneeflächen durchbrachen das Steinfeld.
»Alles in Ordnung?«
Sie sah verwundert zu Melvyn auf. »Ja. Warum fragst du?«
»Du atmest schwer. Ist dir übel?«
»Nein«, entgegnete sie gereizt. Die Kopfschmerzen setzten ihr zu. Vielleicht kamen sie vom Wind?
»Wenn du eine Rast brauchst, sag es bitte zeitig. In großer Höhe zu wandern zehrt sehr schnell die Kräfte auf. Manchmal sieht man Dinge …« Eine Böe trug seine Worte davon.
Emerelle musste sich gegen den Wind ducken. »Was für Dinge?«, schrie sie. »Dinge, die es nicht gibt!«
Sie schüttelte den Kopf. Sie war nicht verrückt! Melvyn sah sie lange an, dann entschied er sich wortlos, weiterzuklettern. Sie folgte dem Weg, den er wählte. Auch er war offensichtlich ein wenig erschöpft. Er hielt oft inne, um Atem zu holen, so dass sie immer wieder leicht zu ihm aufschließen konnte.
Bald waren sie inmitten der Wolken. Der Wind erstarb nie. Unablässig heulte er über Eis und Schnee. Je länger man ihm lauschte, desto mehr klang er wie ein Lied. Der Berg sang! Es war ein melancholisches Lied. Ohne Worte, voller Gefühl.
Am Nachmittag mussten sie die Steigeisen anlegen. Der Felsgrat endete vor einem steilen Hang, der sich in Kaskaden schillernden Eises gekleidet hatte.
In der Steilwand kamen sie nur sehr langsam vorwärts. Melvyn schlug Griffe in das Eis. Manchmal kam er ihr wie eine Fliege vor, die an einer glatten Wand hinauflief. Sie kicherte. Die Kopfschmerzen waren verflogen und einem ausgesprochenen Hochgefühl gewichen. Nur ihre Finger brannten unangenehm. Manchmal klebten sie am Eis fest. Sie waren ganz rot geworden.
Immer wieder hielt sie inne, um tief zu atmen und auf den Wind zu lauschen. Der Berg sang ein Lied! Es war wirklich so. Sie
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