Die Elfen
mich den Albenkindern auf so manche Weise. Ich werde es euch leicht machen.« Erst geschah nichts, doch dann blinzelte Nuramon, und vor ihm stand plötzlich ein Albenkind, das sowohl als kleine, gedrungene Elfe wie auch als sehr schlanke Zwergin durchgehen konnte.
»Was ist deine wahre Gestalt?«, fragte Nuramon.
Das Orakel lachte mit sanfter Stimme. »Was ist deine wahre Gestalt, Nuramon? Ist es die, welche hier vor mir steht? Oder ist es der Krieger, den du vor kurzem gesehen hast? Vielleicht ist es der Körper, den der Erste deines Namens trug. Es mag aber auch sein, dass deine wahre Gestalt noch auf dich wartet. Welche Gestalt ist also deine?«
»Ich weiß es nicht. Verzeih mir die Frage.«
»Bitte nicht um Verzeihung! Ich bin dazu da, Fragen zu beantworten. Und wenn ich selbst mit einer Frage antworte, dann nur, um dir den Geist zu öffnen. Ich besitze eine wahre Gestalt, doch sie ist euch fremd und würde euch weit weniger sagen als dieser Körper.« Sie wandte sich an den Zwerg. »Komm, Alwerich! Folge mir hinab in die Sternengrotte!« Zu Nuramon aber sprach sie: »Warte du hier! Du kannst dich dort an dem See erfrischen.« Mit diesen Worten trat sie in die Höhle, und Alwerich folgte ihr.
Nuramon blieb zurück; ihn schwindelte. Er ging zum See und trank vom Wasser. Es war kühl und jagte ihm einen Schauer durch den Körper. Der Schwindel verging.
Als sein Blick auf die Wasseroberfläche fiel, musste er wieder an Noroelles Quelle denken. Er nahm seine Kette vom Hals und tauchte den Almandin, den seine Geliebte ihm durch Obilee geschenkt hatte, in das kühle Nass. Dort funkelte der rotbraune Edelstein wie damals all die anderen Steine in Noroelles See.
Nuramon schaute zum Höhleneingang. Was Alwerich wohl fragte? Der Zwerg hatte es ihm während der ganzen Reise nicht sagen wollen. Dabei hatte er sich auf ein Versprechen berufen, das er Thorwis gegeben hatte.
Nuramon hingegen war offen gewesen und hatte über Noroelle gesprochen. Und Alwerich konnte offenbar nachfühlen, was Nuramon bewegte. Der Zwerg war seiner Frau Solstane manches Mal in den Tod gefolgt, um ihr im nächsten Leben nahe zu sein. Nuramon wünschte, für ihn wäre der Weg so einfach. Alwerich hatte angeboten, ihn auf seinem weiteren Weg zu begleiten. Doch er hatte abgelehnt. Der Zwerg sollte nach Aelburin zurückkehren und dort mit seiner Frau das Leben führen, das er verdiente. Nuramon hatte ihm von Mandreds Frau berichtet, von der verlorenen Zeit, die für sie mit wenigen Schritten vergangen war. Er wollte nicht, dass Alwerichs Leben eine solche Wendung nahm, wenngleich er - anders als Mandred - wiedergeboren würde.
Als Nuramon sich die Kette wieder umlegte und den kalten Stein auf seiner Brust spürte, fragte er sich, welche Macht sich in diesem Almandin verbarg. So viele Jahre hatte er auf dem Grund des Sees gelegen. Noroelle hatte ihm erzählt, der Edelstein werde vom Zauber des Sees genährt. Er war mehr als nur ein Andenken an die Geliebte. Doch Nuramon wusste nicht, wie er dem Stein seine besondere Macht entlocken konnte. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif.
Als Alwerich aus der Höhle kam, machte er ein fassungsloses Gesicht. Der Zwerg hatte offenbar Dinge erfahren, mit denen er nie und nimmer gerechnet hatte. Stotternd sagte er: »Du kannst jetzt hinein gehen.« Dann setzte er sich auf einen Stein beim See und starrte ins Wasser.
Nuramon fragte seinen Gefährten nicht danach, was er gesehen hatte. Wenn er ihm schon nicht die Frage nennen wollte, würde er ihm gewiss auch nicht die Antwort verraten. So ließ der Elf seinen Waffenbruder am See zurück und trat seinerseits in die Höhle.
Zunächst gelangte er in einen kleinen Raum, von dem drei Gänge tiefer in den Fels führten. Aus einem von ihnen drang ein blauer Schein, während in den anderen Gängen graues Dämmerlicht herrschte.
Dareen trat in den Gang mit dem blauen Licht. Nuramon folgte ihr schweigend. Der Gang führte geradewegs hinab in eine dunkle Höhle. Die Wände waren so schwarz wie die Nacht. Über ihm aber wölbte sich ein Sternenhimmel, der ein wenig Licht spendete. Die Sterne wirkten so echt, als hätte Dareen sie vom Nachthimmel gefangen. Dies also war die Sternengrotte!
Das Orakel stellte sich in die Mitte der Höhle, wo eine blau leuchtende Steinplatte in den Boden eingelassen war. Sogleich hob Dareen mit einfühlsamer Stimme an zu sprechen. »Ich sehe zwei Wünsche in deinem Geist. Davon kann ich dir nur einen erfüllen. Beim anderen kann ich dir
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