Die Elfen
nur den Weg weisen. Der eine Wunsch ist der nach deiner Erinnerung. Du möchtest eins werden mit deinen früheren Leben. Der andere Wunsch ist es, deine Liebste zu befreien. Deine Erinnerung kann ich dir hier und jetzt schenken, doch Noroelle vermag ich nicht zu befreien. Ich werde dir nur ein wenig auf deinem Pfad weiterhelfen. Welcher Wunsch soll es demnach sein?«
Nuramon trafen die Worte Dareens wie ein Schlag. Er stand hier und war nur eine Frage von seiner Erinnerung entfernt. Hier und jetzt könnte er all seine früheren Leben zurückerhalten. Und vielleicht würde ihm das gar bei seiner Suche nach Noroelle helfen! Dennoch wollte er das Wagnis nicht eingehen. Selbst der kleinste Hinweis auf Noroelles Aufenthaltsort war ihm mehr wert als die Erinnerung an seine früheren Leben. »Ich kam mit der Absicht, dich nach dem Ort zu fragen, an dem meine Liebste gefangen ist. Und ich hoffe, mit einer Antwort gehen zu können. Meine Erinnerung wird eines Tages von ganz allein zu mir kommen.«
»Das ist eine kluge Wahl, Nuramon. Nun, ich sehe in dir, was geschehen ist. Und ich werde dir Dinge sagen, die dir helfen werden. Ich kann dir nicht alles sagen, denn wenn du zu viel weißt, werden Dinge nicht geschehen, die geschehen müssen. Was ich dir zeigen kann, siehst du dort.« Sie deutete zum Gewölbe.
Nuramon blickte auf. Vor den Sternen erschien eine Landschaft: ein großer See oder aber eine Meeresbucht mit Wäldern am Ufer. Dahinter war in der Ferne eine Bergkette zu sehen. Weit vor dem Ufer lag eine Insel, auf der sich ein kleiner Hain befand.
»Dies ist der Ort, nach dem du suchst. Findest du den Weg von dieser Insel in die Zerbrochene Welt, dann wirst du zu deiner Liebsten gelangen.«
»Ich werde diesen Ort finden, und wenn ich ihn Jahrhunderte suchen muss«, sagte Nuramon, ohne den Blick von der Landschaft abwenden zu können. Das Bild brannte sich förmlich in seinen Geist ein. Er würde es nie vergessen. Er hatte nun sein Ziel wahrhaftig vor Augen. Und dieses Bild war sehr aufschlussreich. Offenbar lag das Tor zu Noroelle im Norden der Menschenwelt oder aber in großer Höhe in einem Gebirge. In der Wüste, deren Randgebieten und im kargen Königreich Angnos musste er nun nicht länger nach ihr suchen.
Mit einem Mal verblasste das Bild vor seinen Augen. Die Insel, das Wasser und das Ufer lösten sich auf. Nuramon starrte immer noch hinauf. Er hatte sich alles eingeprägt.
»Ich werde dir noch etwas sagen«, sprach Dareen. »Nur zwei Dinge können den Zauber brechen: das Stundenglas oder aber ein Albenstein.«
Nuramon konnte nicht fassen, was das Orakel da sprach. Dass das Stundenglas und damit die Sandkörner tatsächlich einen Weg darstellten, beschäftigte ihn weniger als die Erwähnung eines Albensteins. Er war ausgezogen, um einen Pfad zu finden, der leichter war als der Farodins. Und nun musste er feststellen, dass sein Pfad vielleicht noch viel schwieriger war. Er schüttelte den Kopf. »Aber wie soll ich an einen Albenstein gelangen? Ich weiß nur, dass die Königin einen besitzt. Aber sie…«
»Sie wird ihn dir nicht geben. Du musst nach einem anderen Albenstein suchen, wenn du nicht an den Weg deines Gefährten Farodin glaubst. Doch ganz gleich, wie du dich entscheidest, zuerst solltest du dich mit deinen Gefährten vereinen. Legt den Streit bei. Es gibt keine falschen Pfade. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, um das Ziel zu erreichen. Geh nach Norden und warte auf deine Freunde in der Stadt des Menschensohns. Sei geduldig und warte auf Elfen weise.«
»Das werde ich.«
»Dann ist dies alles, was Dareen dir zu sagen hat. Auf Wiedersehen, Nuramon!« Sie trat in den Schatten und war verschwunden.
Nuramon wartete, ob Dareen sich ihm noch einmal zeigte. Doch es schien, als wäre dies tatsächlich der Abschied gewesen. Er dachte an das, was sie gesagt hatte. Sie hatte ihm den Weg offenbart, den er gesucht hatte. Sie hatte ihm den Ort gezeigt, an dem sich das Tor zu Noroelles Gefängnis befand. Doch warum war es so wichtig, sich mit Farodin und Mandred zu vereinen? Er hatte oft an seine beiden Gefährten gedacht und an den törichten Streit, der sie getrennt hatte. Er vermisste sie. Und die Stimme Dareens hatte ihn beschworen, sich mit ihnen zu versöhnen.
Er würde nach Firnstayn gehen und dort auf Farodin und Mandred warten.
DAS BUCH DES ALWERICH
Der Abschied vom Waffenbruder
Der Orakelspruch hat alles verändert. Du siehst die Dinge mit anderen Augen, besonders deinen Waffenbruder. Er
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