Die Elfen
Es war der Harnisch eines Drachentöters. Diese Panzer waren berühmt dafür, zäh und anschmiegsam zugleich zu sein. Es erforderte eine besondere Kunstfertigkeit, eine solche Rüstung zu fertigen. Sie war aus zahlreichen Stücken Drachenhaut zusammengesetzt und schützte Rumpf und Arme. Der Rüstungsmacher war ein Meister seines Handwerks gewesen. Jedes Fragment Drachenhaut hatte er in zahlreiche dünne Lagen gespalten, dann bearbeitet und nach seinem Willen neu zusammengefügt. Zwischen den einzelnen Lagen hatte er etwas Tropfenförmiges eingelassen. Wahrscheinlich handelte es sich um zurechtgeschnittene Drachenschuppen. Was es wirklich war, blieb wohl das Geheimnis des Rüstungsmachers. Das Leder roch angenehm. Der Gestank der Drachen war bei der Behandlung der Haut vergangen und einem milden Geruch nach Wald gewichen.
Nur in Olvedes wurden noch Drachenrüstungen hergestellt, denn allein dort stellten die Feuer speienden Ungeheuer noch eine Gefahr dar. Die Rüstungsmacher von Olvedes waren berühmt, sie pflegten ihr Symbol auf ihren Werken zu hinterlassen. Nuramon löste das Wehrgehänge und nahm die Rüstung vom Ständer. Auf ihrer Innenseite suchte er nach dem Zeichen des Meisters, der dieses Prachtstück gefertigt hatte. Er fand es am Bruststück versteckt. Eine Sonne war dort abgebildet. Darunter stand in kleinen Lettern: Xeldaric.
Nuramon war gerührt. Xeldaric galt als einer der besten Rüstungsmacher, die es je gegeben hatte. Er war ins Mondlicht gegangen, nachdem er für die Königin sein Lebenswerk geschaffen hatte: eine vollständige Albenrüstung. Nuramon war noch ein Kind gewesen, als er von dieser Rüstung gehört hatte. Xeldaric war im Thronsaal der Burg ins Mondlicht gegangen, nachdem die Königin das Werk entgegengenommen hatte.
Eine Rüstung aus den Händen Xeldarics zu tragen war eine große Ehre. Und selbst wer sich nicht die Mühe machte, nach dem Zeichen des Meisters zu suchen, konnte erkennen, dass dieser Harnisch eine wahrhaft fürstliche Gabe war. Auch wenn ihr auf den ersten Blick die Gleichförmigkeit eines Plattenpanzers fehlte, war jedes Teilstück der Rüstung am rechten Platz und erzählte die Geschichte der Drachenjagd. Die grüne Haut der Drachen aus Olvedes war ebenso eingearbeitet wie das braune Leder der Drachen aus den Wäldern von Galvelun bis hin zu den roten Sonnendrachen von Ischemon. Zusammen genommen bildeten die Fragmente ein Mosaik aus Waldfarben, die fließend ineinander übergingen.
Nuramon hängte die Rüstung wieder auf den Ständer. Nun griff er nach dem Schwertgurt, den er auf das Bett gelegt hatte. Er fand ein Schwert in einer schlichten Lederscheide. Der Wiegenknauf und die Parierstange waren aus Gold und aufwändig verziert, der Griff war aus Perlmutt- und Kupferstreifen gefertigt. Nuramon zog die Waffe aus der Scheide und hielt den Atem an. Die Klinge war aus Sternenglanz geschmiedet, einem Metall, das nur auf den höchsten Gipfeln zu finden war. Diese Waffe war ein ebenso großes Meisterwerk wie die Rüstung. In der Mitte der breiten Parierstange befanden sich verschlungene Runen. Erst auf den zweiten Blick erkannte Nuramon, was dort stand: Gaomee! Er hielt das Schwert der Gaomee in Händen! Mit dieser Waffe hatte sie Duanoc besiegt. Und jetzt sollte er sie führen .
DER RUF DER KÖNIGIN
Farodin hatte seine Gäste schon früh verabschiedet. Er wollte mit sich allein sein, um seine Gedanken zu ordnen. Doch dies war ihm kaum möglich, denn aus dem Nachbarzimmer schallte der Lärm eines Gelages. Der Menschensohn war wahnsinnig! Niemand von Vernunft betrank sich in der Nacht vor der Elfenjagd. Und das wiehernde Lachen verriet, dass ihm Aigilaos bei dieser Torheit noch Gesellschaft leistete.
Er legte sich auf das harte Bett, das ihm aus anderen Nächten wie dieser vertraut war. Stille Freude überkam ihn, als er an die Ereignisse des Abends zurückdachte. Endlich hatte er es gewagt, sich Noroelle zu offenbaren. Hatte es gewagt, in eigenen, unbeholfen gesetzten Worten von seiner Liebe zu sprechen. Und was tausend Lieder nicht vermocht hatten, hatten ihm einige wenige Sätze, die von Herzen gesprochen waren, schließlich beschert: Er war sich sicher, Noroelle an diesem Abend für sich gewonnen zu haben.
Ein leises Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Kobold mit einer großen Blendlaterne trat ein. »Entschuldige, dass ich deine Ruhe in der Nacht vor der großen Jagd störe, Ehrenwerter, doch die Königin wünscht dich zu sehen. Bitte folge
Weitere Kostenlose Bücher