Die Elfen
Berge. Der Himmel in Albenmark hingegen erstrahlte noch immer in hellem Blau.
Vom Hafen her erklangen Flötenspiel und Trommelschlag. Während die Schlitten an einer Rampe die Landungsbrücken hinauffuhren, erschien zwischen den Schiffen eine Kolonne marschierender Soldaten. Sie alle trugen Brustplatten und hohe Helme. Ihre Hosen und die Ärmel ihrer Jacken waren seltsam aufgeplustert. Noch merkwürdiger waren ihre Waffen. Sie alle trugen Speere, die mehr als sechs Schritt lang sein mussten.
Die Krieger marschierten in geschlossener Kolonne. Acht Pfeifer bildeten die erste Reihe. Ihnen folgten acht Trommler. Berittene Offiziere begleiteten die Einheit. Sie führten sie geradewegs auf den Riss zwischen den Welten zu.
Mandred zählte stumm die Reihen der Marschierenden. Fast tausend Mann gingen nach Albenmark. Ihnen folgten hochrädrige Karren und eine Kolonne aus Packtieren.
»Sie sind verrückt geworden«, erklärte Mandred, während die Marschsäule auf den Weg neben der Turmruine einschwenkte. »Mit diesen langen Speeren werden sie sich beim Kampf nur selbst im Weg sein.«
»Wenn du das sagst«, murmelte Farodin und duckte sich tiefer hinter den Baumstamm. Frischer Wind blies über den Fjord, und mit den Wolken aus dem Westen kam Schnee. Sie kauerten in ihrer Deckung und warteten, bis es Nacht wurde.
Völlig durchgefroren kehrten sie zu dem Albenstern am Strand zurück. Liodred war unter einem dünnen Leichentuch aus Schnee verschwunden. Mandred kniete neben dem toten König. Wenigstens war es ihm erspart geblieben, Firnstayn gebrandschatzt und von Feinden besetzt zu sehen.
Der Jarl blickte zu Farodin. Hoffentlich machten sie keinen Zeitsprung. Diese verfluchten Tore! Alles war aus dem Gleichgewicht geraten! Ein Heer, das in Albenmark einfiel. Ungeheuerlich! Wie weit mochten sie wohl vorgedrungen sein? Wer würde siegen in diesem Kampf?
Ein rotgoldener Lichtbogen wuchs aus dem Schnee empor.
»Schnell«, rief Farodin und schob Nuramon vor sich her durch das Tor.
Von der Stadtmauer erklang ein Signalhorn. Mandred packte den toten König bei seinem Gürtel und zog ihn durch den Schnee. Liodred hätte im Grabhügel unter der Eiche seine letzte Ruhe finden sollen, dachte der Jarl bitter. Dort waren seit Jahrhunderten die Toten der Königsfamilie bestattet worden. So wäre Liodred wenigstens im Grabe wieder an die Seite seines Weibes und seines Sohnes zurückgekehrt.
Mandred tauchte in das Licht. Nur ein einziger Schritt war diesmal zu tun, dann begrüßte der Duft von frischem Grün den Jarl in Albenmark. Sie traten aus dem Tor auf eine taufeuchte Lichtung. Schatten regten sich entlang des Waldrandes. Die Luft war erfüllt von Blütenduft und Vogelgezwitscher.
Unter einer Pinie trat ein junger Elf hervor. Auch er trug eines dieser seltsam schlanken Schwerter an seiner Hüfte, die Mandred schon bei den Reitern am Fjord aufgefallen waren. Der Jarl blickte zurück. Das Tor hinter ihnen hatte sich geschlossen. Eben noch war es Nacht gewesen, und jetzt war heller Morgen! Mandred fluchte stumm. Es war wieder geschehen! Sie hatten wieder einen Zeitsprung gemacht!
»Wer betritt das Herzland von Albenmark?«, rief der Elf ihnen entgegen.
»Farodin, Nuramon und Mandred Aikhjarto. Am Hof der Königin sind unsere Namen wohl bekannt, und das ist auch der Ort, zu dem wir wollen«, antwortete Farodin selbstsicher.
DIE GROSSE ZUSAMMENKUNFT
Sie schritten durchs Gras und näherten sich langsam dem Heerlager vor dem Burghügel der Königin. Dort waren hunderte von Zelten aufgeschlagen, und neben jedem wehte ein seidenes Banner im Morgenwind. Reiter und Fußkämpfer sammelten sich in der Nähe, und zwischen den Zelten gingen zahlreiche Albenkinder ihren Aufgaben nach.
Alles, was Nuramon hier sah, verwirrte ihn ebenso wie das, was er auf dem Weg hierher gesehen hatte. Seine Gefährten hatten viel Geduld mit ihm. Und dennoch waren ihre Worte so fern…
Irgendetwas war mit ihm während des Zaubers in den Hallen des Devanthars geschehen, etwas, das man ihm auch ansehen konnte. Er hatte sein Spiegelbild in einem Teich betrachtet. Eine Strähne seines Haars war weiß geworden, und er sah älter aus. Doch das war ein geringer Preis für ihre Freiheit.
Bald erreichten sie den Rand des Lagers. Nuramon fühlte sich fremd hier, so als wäre er kein Krieger und hätte nie an einer Schlacht teilgenommen. Doch da waren die Seeschlacht, die zahlreichen Kämpfe an der Seite der Firnstayner und andere Gefechte, die viel weiter
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