Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
Klinge, unter der Rose?
    Und was ist's, das auf Slothrop wartet, welche unangenehme Überraschung, jenseits der Spitzen von Gretas Strümpfen hier? Der Laufmasche, die plötzlich wie eine bleiche Zeile schenkelabwärts über die Auffaltungen des Knies und außer Sicht perlt? Was wartet jenseits dieses Pfeifens und Klatschens samtiger Peitschenschnüre gegen ihre Haut, der langen roten Streifen mit dem weißen Grund, ihres Stöhnens, der blutergußfarbenen Blume, die an ihrer Brust schreit, des Klirrens der Metalle, die sie niederhalten? Er gibt sich Mühe, seinem Opfer nicht die Strümpfe zu zerreißen, nicht zu dicht an ihre ausgespannte Vulva zu peitschen, die ungeschützt zwischen breit gespreizten, angezogenen Schenkeln zittert, zwischen Muskelspielen, die so erotisch, unterwürfig, "monumental" sind wie nur je eine silberne Erinnerung an ihren Körper auf dem Zelluloid des Films. Sie kommt ein erstes, vielleicht ein zweites Mal, bevor Slothrop die Peitsche weglegt und sie besteigt, die Schwingen seines Capes über sie breitet, er ein Max-Schlepzig-Surrogat für sie und sie für ihn die neueste Sehnsucht nach Katje ... Sie beginnen zu ficken, das alte, imitierte Folterrad stöhnt unter ihnen, Margherita flüstert Gott, hast du mir weh getan und Ah, Max ... und gerade, als es Slothrop kommen will, den Namen ihres Kindes: Gepreßt durch ihre makellosen Zähne, ein klarer Aufschrei eines Schmerzes, der kein Spiel mehr ist, schluchzt sie Bianca ...

[3.11] Franz Pökler, Zwölfkinder

    ... ja, Hure - ja, kleine Hure - du arme, hilflose Hure dir kommt's jetzt, du kannst dich nicht halten und ich schlag dich weiter schlag dich schlag dich bis du blutest... So Pöklers ganze Vorderfront, von den Augen zu den Knien: überflutet vom Bild dieses Abends, dem köstlichen Opfer, gekettet an sein Folterrad, in Großaufnahme auf der Leinwand - ein verzerrtes Gesicht, Brustwarzen unter Seide, erstaunlich aufgerichtet, die Schmerzbehauptung ihres Stöhnens Lügen strafend - Hure! Sie genießt es ... und Leni ist nicht mehr die ernste Frau, die verbitterte Quelle seiner Kraft, sie ist jetzt Margherita Erdmann, in die er eindringt, jetzt von oben, hinein und wieder, ja, du Hure, ja...
    . Erst später hatte er versucht, den Zeitpunkt rückzurechnen. Eine perverse Neugier. Zwei Wochen waren es seit ihrer letzten Periode. Mit einer Erektion war er an jenem Abend aus dem Ufa-Kino auf die Friedrichstraße hinausgetreten, mit dem gleichen Gedanken wie alle anderen auch: nur schnell nach Hause zu kommen und zu ficken, sie zu ficken bis zur völligen Unterwerfung ... Himmel, war die Erdmann schön! Wie viele andere Männer, die aus dem Theater schlurften, zurück in das Berlin der Wirtschaftskrise, mochten das gleiche Bild aus Alpdrücken mit nach Hause tragen zu irgendeinem farblos-fetten Trugbild einer Braut? Wie viele Schattenkinder würden auf der Erdmann gezeugt werden in dieser Nacht?
    Es war für Pökler niemals eine reale Möglichkeit, daß Leni schwanger werden könnte. Aber in der Rückschau wußte er, daß es diese eine Nacht gewesen sein mußte, diese Alpdrücken-Nacht, da Ilse empfangen wurde. Sie vögelten nur noch so selten. Es war nicht schwierig, das Datum festzustellen. So also ist es geschehen. Ein Film. Wie auch sonst? Ist es nicht das, was sie aus meinem Kind gemacht haben, einen Film?
    Heute abend sitzt er bei seinem Treibholz-Feuer im Keller der Nikolaikirche mit ihrem Zwiebeldach und hört dem Meer zu. Sterne stehen zwischen den Speichen des großen Rades, fraglich für ihn wie Kerzen oder Gutenachtzigaretten. Längs des Strandes sammelt sich die Kühle. Phantome von Kindern - weißes Pfeifen, Tränen, die nicht mehr fließen werden - streichen durch den Wind hinter den Mauern. Fetzen von verblichenem Krepp wirbeln über den Boden, springen über seine alten Schuhe. Staub zwinkert wie Schnee unter dem Licht des frisch gekalbten Mondes, und die Ostsee kriecht dahin wie der Muttergletscher. Sein Herz zuckt in seinem scharlachroten Netz, elastisch, voll von Erwartung. Er wartet, daß Ilse, sein KinoKind, zurückkehrt nach Zwölfkinder, so wie jeden Sommer zu dieser Zeit. Störche schlafen zwischen zwei- und dreibeinigen Pferden, verrostetem Gestänge, heruntergefetzten Dachteilen des Karussells, ihre Köpfe zittern von Windströmungen und gelbem Afrika, zierliche schwarze Schlangen mäandern fünfzig Meter unter ihnen im Sonnenglast über Felsen und durch ausgetrocknete Pfannen. Übergroße Salzkristalle ergrauen in

Weitere Kostenlose Bücher