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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Besorgnis. Etwa um die Zeit, da Slothrop seine Königin verliert: "Haaalt -Moment mal! Sagten Sie Pökler?"
    Zack, schon hat der Mann eine Luger in der Hand, so groß wie ein Haus - wirklich flink der Bursche: und die Mündung zeigt genau auf Slothrops Kopf. Für einen Augenblick glaubt Slothrop in seinem Schweineanzug, daß dieser Pökler glaubt, daß er, Slothrop, es mit Frieda der Sau getrieben hat und daß es hier gleich eine lugervermittelte Mußheirat geben wird - tatsächlich schießt ihm schon die Formel Zum Unterpfand nimm meinen Trog durch den Kopf, als er kapiert, was Pökler in Wirklichkeit sagt: "Besser, Sie gehen. Nur noch zwei Züge, und Sie wären ohnehin geliefert gewesen."
    "Hören Sie sich wenigstens meine Geschichte an!" haspelt er, so schnell er kann, die Zürcher Information mit Pöklers Namen heraus, die Jagd der Russen, Amerikaner und Hereros nach dem S-Gerät, und fragt sich gleichzeitig, quasi parallel, ob dieser Oberst Enzian nicht am Ende recht bekommt mit seinem Zum-Eingeborenen-der-Zone-Werden - du kriegst Ideen, fixe und leichtsinnige, ja, erotische Grillen in Sachen Schicksal, Slothrop, stimmt's? hm? versuchst, den Weg zurückzuverfolgen, auf dem dich die Sau Frieda hierhergeführt hat, dich an Abzweigungen zu erinnern, wo ihr eine andere Richtung hättet nehmen können...
    "Das Schwarzgerät." Pökler schüttelt den Kopf. "Ich weiß nicht, was das war. Ich hab
    mich nie genügend dafür interessiert. Ist das wirklich alles, was Sie wollen?"
    Slothrop denkt über die Frage nach. Ihre Kaffeetassen fangen das Sonnenlicht aus
    dem Fenster ein und werfen es an die Decke, hüpfende Ellipsen aus blauem Licht.
    "Weiß nicht. Abgesehen von diesem privaten Clinch mit Imipolex G..."
    "Es ist ein aromatisches Polyimid", Pökler steckt den Revolver zurück unter sein
    Hemd.
    "Erzählen Sie mir davon", sagt Slothrop.
    Gut, aber nicht, ehe er von seiner Ilse und ihrer allsommerlichen Wiederkehr erzählt hat, genug für Slothrop, um ihn von neuem im Genick zu packen und gegen Biancas totes Fleisch zu stoßen ... Ilse, gezeugt auf Greta Erdmanns silbernem und passivem Bild, Bianca, empfangen während der Dreharbeiten zu eben dieser Szene, die Pökler vor seinen Augen sah, als er die fatale Ladung Sperma verspritzte - wie konnten sie denn nicht ein und dasselbe Kind sein?
    Sie ist noch bei dir, wenn auch schwerer zu sehen in diesen Tagen, unsichtbar fast wie ein Glas graue Limonade in einem dämmerigen Zimmer... und dennoch ist sie da, kühl und ätzend und süß und darauf wartend, verschluckt zu werden, um deine tiefsten Zellen zu berühren, um zu wirken zwischen deinen trübsten Träumen ...
    [3.29] NationalSozialistische Chemie
    Pökler schafft es, ein wenig von Laszlo Jamf zu erzählen, aber meistens schweift er ab und spricht von Filmen, deutschen Filmen, von denen Slothrop nie gehört hat, von sehen ganz zu schweigen ... ja, ein hartgesottener Kinogeher ist das hier-"Am D-Day", vertraut er ihm an, "als ich Eisenhower hörte, wie er im Radio die Invasion der Normandie bekanntgab, da hab ich geglaubt, es wäre in Wirklichkeit Clark Gable. Ist Ihnen das jemals aufgefallen? Ihre Stimmen sind identisch ..." Im letzten Drittel seines Lebens kam über Laszlo Jamf - so jedenfalls erschien es jenen, die von den Holzbänken der Hörsäle aus beobachteten, wie seine Augenlider langsam körniger wurden, wie Flecken und Falten das Bild seines Gesichts überwuchsen, es ins Alter hinein auflösten - ein Gefühl der Feindschaft, eines seltsam persönlichen Hasses, gegenüber der kova-lenten Bindung. Eine Überzeugung, daß, wenn die Kunststoffe eine Zukunft haben sollten, diese Bindung verbessert werden mußte - einige seiner Studenten verstanden sogar "transzen-diert". Daß etwas so auf Gegenseitigkeit Beruhendes, so Sanftes wie das Wechselspiel der Elektronen, die Teilhabe an fremden und Hingabe von eigenen durch die Kohlenstoffatome, zum Kern des Lebens gehören sollte, seines Lebens, traf Jamf als eine kosmische Demütigung. Um wie vieles stärker, wie unzerstörbar war die Ionenbindung - in der die Elektronen nicht geteilt, sondern erobert werden, gepackt und festgehalten! Wo die Atome polarisiert sind, positive, negative, ohne Zweideutigkeiten ... Er hatte sie liebengelernt, diese Klarheit: wie stabil sie war in ihrem mineralischen Starrsinn!
    "Welche Lippenbekenntnisse wir auch immer der Vernunft zollen mögen", erklärte er in Pöklers Kurs damals an der TH, "der Mäßigung und dem Kompromiß, es bleibt

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