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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Druckers, sie kennt das Medium, sie hat sogar gelernt, ganz gut mit einem Winkelhaken umzugehen, eine Zeile neu zu setzen, eine Korrektur zu machen ... "Du bist ein Maikäfer", wispert sie und gibt ihm einen Abschiedskuß und steht und sieht ihn gehen, ein unterdrückter Schluchzer, ein stilles Mädchen in Schürze und Knobelbechern neben einem einsamen Tor. "Gute Nacht..."
    Gefügiges Mädchen, gute Nacht. Was hat er für sie - außer einem letzten Schnappschuß von einem davontrottenden Schwein im Narrenkleid, das mit den Sternen und den Holzstapeln verschmilzt, etwas, das sie sich neben ihren Vater vor dem Wasserfall ihrer Kindheit denken kann? Er verkörpert die Flucht, obgleich sein Herz nicht mit dabei ist... aber dennoch hat er alles vergessen, was er vom Bleiben wußte... Gute Nacht, es ist Sperrstunde, geh zurück nach drinnen, zurück in dein Zimmer ... gute Nacht...
    Er hält sich ans offene Land, schläft, wenn er zu müde ist zum Wandern, Stroh und Plüsch schützen ihn vor der Kälte. Eines Morgens erwacht er in einer Mulde zwischen einem Stand Rotbuchen und einem Fluß. Es ist zur Zeit des Sonnenaufgangs und bitter kalt, und eine warme Zunge scheint ihm rauh über das Gesicht zu lecken. Er klappt die Augen auf und starrt auf die Schnauze eines anderen Schweins, einer sehr fetten und rosigen Sau. Sie grunzt und lächelt liebenswürdig, klimpert mit langen Wimpern.
    "Warte! Was sagst du dazu?" Er stülpt sich seine Schweinemaske über den Kopf. Sie starrt ihn an, eine Minute lang, dann springt sie an Slothrop hoch und küßt ihn, Schnauze-zu-Schnau-ze. Beide triefen sie vom Tau. Er folgt ihr hinunter an den Fluß, nimmt die Maske wieder ab und klatscht sich Wasser ins Gesicht, während sie neben ihm trinkt, schlürfend und friedvoll. Das Wasser ist klar, kalt, sprudelnd lebendig.
    Unter der Strömung stoßen runde Steine gegeneinander. Ein klingendes Geräusch, eine Musik. Es müßte was wert sein, hier Tag und Nacht zu sitzen und zuzuhören, wie diese Klänge aus dem Wasser und den Kieseln aufsteigen ... Slothrop hat Hunger. "Komm! Wir müssen uns ein Frühstück suchen." Neben einem kleinen Weiher bei einem Bauernhof entdeckt die Sau einen Holzpflock, der in den Boden gerammt ist. Sie beginnt, ringsherum zu schnüffeln. Slothrop buddelt lose Erde weg und findet eine mit Ziegeln ausgekleidete Höhlung, gestopft voll mit Kartoffeln, die im vergangenen Jahr eingelagert worden sind. "Freut mich für dich", während sie schon drüber herfällt, "aber ich kann dieses Zeug nicht essen." Der Himmel leuchtet aus dem Spiegel des Teichs. Kein Mensch scheint in der Nähe zu sein. Slothrop marschiert los, um das Gehöft einer Inspektion zu unterziehen. Hohe weiße Margeriten wachsen zwischen den Gebäuden. Die Fenster unter der Strohkapuze des Dachs sind dunkel, aus den Kaminen steigt kein Rauch. Aber das Hühnerhaus an der Rückfront ist bewohnt. Er scheucht eine große fette weiße Henne von ihrem Nest hoch und grapscht gierig nach den Eiern - PKAWW flattert sie sich in Panik und geht auf Slothrops Arm los, versucht, ihn abzupicken, ihre Freundinnen kommen von draußen hereingeschossen, es erhebt sich ein entsetzliches Gekakel, zu welchem Zeitpunkt sich die Henne mit beiden Flügeln durch einen Schlitz zwischen zwei Holzlatten hindurchgearbeitet hat und nicht mehr weiterkann, weder vor, da sie zu füllig ist unterm Flügelansatz, noch zurück. Da hängt sie nun, flappend und kreischend, derweilen Slothrop sich drei Eier greift und anschließend versucht, ihr die Flügel wieder zurückzustopfen. Es ist ein frustrierender Job, speziell, wenn man dabei mit einer Hand drei Eier balancieren muß. In der Tür ist der Hahn erschienen, der Achtung Achtung kollert, doch die Disziplin in seinem Harem ist rettungslos beim Teufel, eine geräuschvolle weiße Wolke von Hennen überschlägt sich durch den ganzen Stall, und Blut fließt an einem halben Dutzend Stellen aus Slothrop raus.
    Dann hört er einen Hund bellen - Zeit, bei dieser Henne aufzugeben. Er kommt raus, sieht eine Dame in Wehrmachtshelferinnenuniform, die dreißig Meter entfernt ein Schrotgewehr ans Auge hebt, und einen Hund, der knurrend, zähnefletschend, den Blick auf Slothrops Kehle fixiert, zum Angriff ansetzt. Slothrop hat sich kaum um die Ecke des Stalls gekugelt, als die Flinte ihre Gutenmorgensalve losläßt. Etwa in diesem Augenblick tritt das Schwein in Aktion und verjagt den Hund. Ab geht die Post, die Eier sind in der Schweinemaske wohl verwahrt,

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