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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Lagerstätten von ölhaltigem Gestein. Die Besucher sitzen in seinem Salon, zischeln über ihn hin, hinterlassen ekelhafte Talgspuren auf allem, was sie berühren, und geben sich Mühe, ihm über diese Phase hinwegzuhelfen, sichtbar ungehalten über das, was sie als die Geschmacksverirrung eines vulgären Herumtreibers empfinden. Er kommt an und schwärmt von den Wesenheiten, denen er draußen begegnet ist, Mitgliedern einer astralen I. G., deren Aufgabe -wie es Rathenau, durch das Medium Peter Sachsa, angedeutet hatte - jenseits des irdischen Gut und Böse liegt: Unterscheidungen wie diese sind bedeutungslos dort draußen...
    "Jaa, jaa", alle stieren sie ihn an, "aber wozu dann noch von und sprechen? Warum dann diese Unterscheidung?"
    Nur deshalb, weil es so schwerfällt, über das Staunen der Entdeckung hinwegzukommen, daß die Erde eine lebendige Kreatur ist: daß der große, stumme Fels, als den man sie sich all die Jahre vorgestellt hat, plötzlich einen Leib und eine Seele hat. Er kommt sich wieder wie ein Kind vor, er weiß, daß er sich theoretisch an nichts klammern darf, aber er ist immer noch verliebt in das Gefühl des Staunens, in dieses Wiederfinden, selbst so spät noch, selbst angesichts der Gewißheit, daß er es bald wieder loslassen muß ... in die Entdeckung, daß die Schwerkraft, die immer so selbstverständlich war, in Wahrheit etwas Unheimliches, Messianisches, Übersinnliches ist im Geistleib der Erde ... in dessen heiligem Zentrum sie die Abfälle der toten Arten an sich gedrückt hat, ihre Moleküle versammelt und verdichtet, umgebaut, gewandelt, neu verknüpft, damit die Kohlenteer-Kabbali-sten auf der anderen Seite, wie sie Bland von seinen früheren Reisen kennt, wieder über sie herfallen, sie verkochen und zerfetzen, jede letzte Permutation von nutzbarer Magie aus ihnen herausforschen und noch Jahrhunderte nach der Erschöpfung neue Molekülfragmente finden können für neue und immer neue Kombinationen und Montagen zu immer neuen künstlichen Stoffen - "Vergiß sie, sie sind um nichts besser als die Qlippoth, die Schalen der Toten, du darfst deine Zeit nicht mit ihnen verschwenden ... "
    Wir anderen, nicht zur Erleuchtung auserwählt, zurückgeblieben auf der Außenhaut der Erde, einer Schwerkraft ausgeliefert, die zu erkennen und zu messen wir kaum erst gelernt haben, müssen weiter wie die Tolpatsche durch unseren Großhirnglauben an Klevere Korrespondenzen stolpern, können weiterhin nur hoffen, daß sich für jede Psi-Synthese, die wir der Seele der
    Erde abgewinnen, auch ein weltliches, mehr oder minder gewöhnliches und benanntes Molekül hier drüben findet - endlos wühlend in den Plastiktrivialitäten, überzeugt vom Tieferen Sinn in jeder, ständig bemüht, sie zu verbinden wie die Glieder einer Potenzreihe, von der wir hoffen, daß sie auf jene schreckliche, geheime Funktion konvergieren wird, deren Name, wie die permutierten Namen Gottes, nicht ausgesprochen werden darf ... Plastik-Rohrblatt eines Saxophons Klänge von unnatürlicher Farbe, Shampooflasche Ego-Image, Cracker-Jack-Belohnung Vergnügen nur für einmal, Staubsaugergehäuse Verkleidung für die Winde der Erkenntnis, Babyfläschchen Ruhigstellung, abgepacktes Fleisch Gemetzel in Maske, Plastiksack für die chemische Reinigung Strangulation von Säuglingen, Gartenschläuche endlos die Wüste bewässern ... doch sie zusammenzubringen, in ihrer glatten Zähigkeit und unserem Übergangensein ... einen Sinn zu finden, auch nur den schäbigsten spitzen Splitter von Wahrheit in so viel Reproduktion und so viel Abfall...
    Glücklicher Bland, sich davon zu befreien. Eines Nachts rief er seine ganze Familie um das Sofa in seinem Arbeitszimmer zusammen. Lyle jr. war von Houston hergekommen, zitternd im ersten Grippestadium des Kontakts mit einer Welt, in der Klimaanlagen weniger lebenswichtig sind. Clara kam von Benning-ton herunter, und Buddy mit der MTA aus Cambridge. "Wie ihr wißt", verkündete Bland, "habe ich in letzter Zeit diese kleinen Ausflüge unternommen." Er trug ein einfaches weißes Hemd und hielt eine rote Rose in der Hand. Er sah unirdisch aus, darüber waren sich später alle einig: seine Haut und seine Augen waren von einer Klarheit, wie man sie selten beobachtet, höchstens an ganz bestimmten Frühlingstagen, in gewissen Breiten, kurz vor Sonnenaufgang. "Ich habe festgestellt", fuhr er fort, "daß ich auf jeder Reise ein Stück weiter hinausgelangt bin. Heute nacht gehe ich nun zum letztenmal. Ich will

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