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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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stocknüchtern, stapft er inmitten der Frohgelaunten umher, so dicht behaart, daß ihm sein Pelz aus Pulloverärmeln und V-Ausschnitt quillt, was erst vorige Woche eine seiner Verbindungen nach CBI mitsamt fast einer Tonne des besten Stoffs, gerade frisch aus Südostasien mitgebracht, auf Nimmerwiedersehen verscheucht hat, als ihn der Betreffende für eine seegehende Version des legendären Yeti hielt, des Schrecklichen Schneemenschen. Um von dem, was ihm dabei durch die Lappen gegangen ist, wenigstens etwas wieder wettzumachen, hat Bodine heute abend die Promotion für den Ersten Internationalen Austern-gabelkarnpf übernommen, der zwischen seinem Schiffskamera- den Avery Purfle und einem englischen Kommandosoldaten namens St. John Bladdery ausgetragen wird. "Eure Wetten will ich haben, ja, ja, die Quoten stehen gleich, 50 zu 50", verkündet Croupier Bodine verbindlich, während er sich durch die zusammengedrängten Leiber boxt, von denen viele weit davon entfernt sind, aufrecht zu stehen, und mit einer Hand ein Bündel Besatzungsgeld umklammert. Mit der anderen zerrt er von Zeit zu Zeit den breiten Kragen seines Jumpers nach vorn und schneuzt sich hinein, begleitet vom Blinken der Ösen am Saum seines T-Shirts und dem Tanz der Schatten, die die Glühbirnen über seinem Kopf, bewegt von seinem Wind, nach allen Seiten und über fremde Schatten werfen.
    "Hallo, Kamerad, brauchst 'n Opiat?" Winzige rote Augen in einem riesigen rosa Wackelpeter von Gesicht, darunter ein habgieriges Grinsen. Es ist Albert Krypton, Lazaretthelfer an Bord der USS John E. Badass, der jetzt aus einer Geheimtasche in seinem Jumper eine Glasphiole voller weißer Pillen zieht. "Kodein, Kamerad, schön isses - hier!"
    Bodine niest heftig und wischt sich den Rotz in den Ärmel. "Nichts für so'n Scheißschnupfen, Krypton. Danke. Haste Avery gesehn?"
    "Der is in Hochform. Er hat sich grad 'n letzten Schliff geholt im Schapp vom Junior Officer, wie ich vorhin rüber bin."
    "Hör mal, alter Freund", kommt der unternehmende Seebär zur Sache. Entschlüsselt heißt das drei Unzen Kokain. Bodine zieht ein paar zerdrückte Banknoten hervor. "Um Mitternacht, wenn's geht. Er kommt nach dem Kampf zu Putzi." "Perfekt. Hey, haste in letzter Zeit mal in den Quartieren nach dem Rechten gesehn ?" Scheint so, als würden die Heimkehrer aus China, Burma, Indien tatsächlich mit massiven Opiumkugeln Murmeln spielen. Man kann Hunderte davon abstauben, wenn man auf Draht ist. Lazaretthelfer Krypton stopft sich seine Scheine in die Taschen, verläßt Bodine, der mit dem Daumen schnippend über das Gehörte nachdenkt, und schiebt sich weiter durch die Menge, Hintern tätschelnd, ab und zu pausierend, um aus einer
    Granatenhülse Äthylalkohol mit Grapefruitsaft zu trinken, gelegentlich eine Kodeintablette verhökernd. Er hat eine kurze paranoide Phase, als zwei rotmützige MPs auftauchen, die ihre Schlagstöcke streicheln und ihm dabei, so kommt's ihm vor, unheilschwangere Blicke zuwerfen. Er verdrückt sich in die Nacht, schert aus aus dem Verband, kurvt durch den dunklen Himmel davon. Was ihn fliegen macht, ist eine patentierte Eigenmischung namens Krypton Blau, die allmählich ihre Wirkung zu entfalten beginnt, und so wird es eine schwankende Passage bis zur Ambulanz, nicht ohne Augenblicke tiefer Abwesenheit.
    Drinnen dirigiert Apotheker Birdbury, sein Lieferant, gerade den letzten Akt von Laforza del destino, der über Radio Luxemburg hereinknackt, und singt dazu laut mit. Sein Mund schnappt jäh zu, als Krypton einschwebt. Bei ihm befindet sich etwas, das ein gigantisches, vielfarbiges Schwein zu sein scheint, der Saum seines Fells teilweise umgeschlagen, was das mögliche Spektrum an Farben noch erweitert. "Mikrogramm", schlägt sich Krypton dramatisch an den Kopf, "genau, Mikrogramm, nicht Milligramm! Birdbury, schnell, gib mir was, ich hab 'ne Überdosis erwischt!" "Pssst." Des Pharmazeuten hohe Stirn legt sich rhythmisch in opernhafte Faltenkreuze. Krypton retiriert zwischen die Regale und besieht sich den erhellten Raum durch eine Flasche Opiumtinktur, bis die Oper aus ist. Er kommt rechtzeitig nach vorne zurück, um das Schwein fragen zu hören: "Tcha, wo würde er sonst noch hingehen?"
    "Ich hab's aus dritter Hand", Birdbury legt das Injektionsbesteck beiseite, das er als
    Taktstock benutzt hat. "Fragen Sie doch Krypton hier, der kommt ziemlich rum."
    "Hallo, Fritze", sagt Albert, "brauchst 'ne Spritze?"
    "Ich hab gehört, daß der Springer heute hier

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