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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Sandy MacPherson an der Orgel. "Nun ja, wir alle -" beginnt Spontoon, läßt es jedoch versik-kern. "Da wären wir."
    Das hell erleuchtete Büro hängt voll von scharlachlippigen, wurstgliedrigen KleineMädchen-Pin-ups. In einer Ecke zischt eine Kaffeemaschine. Außerdem riecht's nach ranziger Schuhwichse. Ein Corporal hat die Füße auf dem Schreibtisch und die Nase tief in einem amerikanischen Bugs-Bunny-Comic.
    "Slothrop?" antwortet er auf die Frage von Muffage. "Ja, dieser - dieser Yank im Schweineanzug. Der rast hier dauernd durch die Gegend, rein und raus, völlig plemplem. Von wo seid ihr denn, M. I. 6, oder was?"
    "Darüber kann ich nicht sprechen", rügt Spontoon. Läßt ein bißchen den Nayland Smith raushängen, dieser Spontoon hier. "Könn' Sie mir sagen, wo wir General Wivern finden?"
    "So spät in der Nacht? Im Alkoholdepot wahrscheinlich. Geht den Gleisen nach, dann werdet ihr schon hören, wo das ist. Ich war selber dort, wenn ich keinen Dienst hätte."
    "Schweineanzug!" schaudert Muffage.
    "So 'n großes, beschissenes Schweinekostüm, gelb, rosa und blau, auf meinen Eid", bestätigt der Corporal. "Sie erkennen ihn sofort, wenn Sie ihn sehen. Sie haben nicht zufällig 'ne Zigarette, einer von den Gentlemen?"
    Geräusche von Trunkenheit dringen an ihre Ohren, da sie, vorbei an Tieflade- und Kesselwagen, den Schienen folgen. "Alkoholdepot!"
    "Treibstoff für ihre Nazi-Raketen, hat man mir erzählt. Falls sie jemals eine in startbereiten Zustand bringen."
    Unter einem kalten Schirm aus nackten Glühbirnen hat sich eine Blase aus englischen Armeesoldaten, amerikanischen Matrosen, NAAFI-Mädchen und deutschen Fräuleins versammelt, jedes einzelne von ihnen verschämt fraternisierend, während sich der Lärm, als Muffage und Spontoon den Rand der Gruppe erreichen, zu einem Song auswächst, in dessen Zentrum, aus vollem Halse grölend, die Arme um jeweils eine der lächelnden und aufgelösten Süßen gelegt, das rote Gesicht unter der künstlichen Beleuchtung in apoplektisches Mauve verfärbt, den Gesang dirigierend, sich eben jener General Wivern befindet, den sie zuletzt in Pointsmans Büro im Zwölften Haus gesehen haben. Aus einem Tankwagen, dessen Inhalt, 75prozentiges Äthanol, in dicker, weißer Schablonenschrift außen angeschrieben steht, ragen an verschiedenen Stellen Zapfhähne heraus, unter welchen sich unglaubliche Mengen von Feldgeschirren, Porzellankrügen, Kaffeekannen, Abfalleimern und sonstigen Behältnissen um die besten Plätze drängeln. Ukuleles, Kazoos, Mundharmonikas und jede Menge improvisierter metallischer Krachmacher begleiten das Lied, welches einen unschuldigen Salut an die Nachkriegszeit darstellt, eine Hoffnung, daß das Ende der Versorgungslücken, der enggeschnallten Gürtel nahe ist:
    's ist -
    Zeit, sich was ein-zu-schmeißen! Zeit, sich was ein-zu-schmeißen! Zeit, den Kühlschrank aufzureißen! Oh, ja, 's ist
    Zeit, sich was ein-zu-schmeißen,
    Zeit, sich was ein-zu-schmeißen,
    Und bist du satt, dann gibt's noch mehr zu beißen!
    Ahhh - Zeit, was ein-zu-schmeißen,
    Zeit, sich was rein-zu-schmeißen,
    Wer keinen Kohldampf hat, soll Lügner heißen!
    Die Beißer strahlen und gleißen,
    Gibt's etwas einzuschmeißen -
    Kommt, und, schmeißt (allealle), fleißig, mit!
    Beim nächsten Chorus heißt's Soldaten und Matrosen die ersten acht Takte gemeinsam, die Mädchen die nächsten acht, dann General Wivern acht solo, und dann tutti! Finale. Es folgt ein Chorus für Ukuleles und Kazoos plus dem übrigen Instrumentarium, während alle tanzen, schwarze Halstücher hochflappen wie die Schnurrbärte von epileptischen Schurken, zarte Schleifen sich lösen und einzelnen Haarlocken gestatten, ihren straffen Rollen zu entwischen, Rocksäume auffliegen, um blitzende Knie und clunyspitzenbesetzte Vorkriegsslips zu enthüllen, ein zartes Flattern von rauchigen Fledermausflügeln hier unter der weißen Elektrizität... zum abschließenden Chorus kreisen die Boys im Uhrzeigersinn, die Girls entgegengesetzt, das Ensemble öffnet sich zu einem Rosenornament, aus dessen Mitte General Wivern, lüstern und besoffen schielend, seinen Humpen stemmend, kurz hochgehievt wird wie ein Staubgefäß.
    So ziemlich der einzige - ausgenommen die beiden herumirrenden Chirurgen -, der nicht am Trubel teilnimmt, ist Seaman Bodine, den wir zuletzt, schon länger her, in der Badewanne von Säure Bummers Berliner Keller gesehen haben. Untadelig heute abend, in weißer Ausgehuniform, mit beherrschter Miene und

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